Entschädigung

Außergerichtliche Einigung in Straßburg wegen Tod eines Türken in niederländischer Polizeihaft nach Klage

FREIBURG taz ■ Folter in Polizeihaft – solche Fälle sind beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte keine Seltenheit. In der Regel sitzt dann die Türkei auf der Anklagebank. Wenn das aber auf einer niederländischen Polizeiwache vorkommt, dann sorgt der Vorwurf beim Gerichtshof in Straßburg für gewisses Aufsehen. Die Regierung in Den Haag hat nun eine Verurteilung verhindert, indem sie einer außergerichtlichen Beilegung des Streites zustimmte.

Konkret ging es um den Fall des Türken Hüseyin Köksal, der in der Nacht zum 7. Januar 1993 mit seinem Wagen einen Verkehrsunfall verursachte. Den Polizisten schien es, dass Köksal betrunken war. Sie steckten ihn in eine Zelle, um ihn am nächsten Tag vernehmen zu können. Erst als Köksal gegen 14 Uhr immer noch keine Lebenszeichen zeigte, wurde ein Arzt gerufen, der ihn in ein Krankenhaus einwies. Dort starb der Mann einen Tag später an einer Gehirnblutung. Alkohol hatte er nicht im Blut.

Wie sich bald herausstellte, war Köksal bei der Einweisung in seine Zelle von der Polizei recht roh behandelt worden, wobei sein Kopf „in Kontakt mit dem Boden kam“, wie es jetzt im Urteil des Straßburger Gerichtshofes hieß. Auch nach mehreren Gutachten blieb offen, ob die Gehirnverletzung vor oder bei dem Unfall aufgetreten oder ob sie Auswirkung der rohen Behandlung im Polizeigewahrsam war. Der verantwortliche Polizeibeamte wurde schließlich in letzter Instanz vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen.

Darauf trugen Vater und Sohn von Hüseyin Köksal den Fall zum Menschenrechtsgerichtshof nach Straßburg, einer Einrichtung des Europarates, dem 43 west- und osteuropäische Staaten angehören. Sie warfen den Niederlanden „Folter“ vor und erklärten, dass Köksals Leben hätte gerettet werden können, wenn er früher ärztlich behandelt worden wäre.

Zu einer Verhandlung vor dem Gerichtshof kam es nun aber nicht, weil die niederländische Regierung sich außergerichtlich mit den Klägern einigte. Ein Regierungsanwalt hatte gegenüber dem Gericht erklärt: „Die Regierung äußert ihr tiefstes Bedauern über den Tod von Herrn Hüseyin Köksal und die Vorgänge, die ihn herbeigeführt haben.“ Ein Verstoß gegen die europäische Menschenrechtskonvention werde damit allerdings nicht anerkannt, so der Anwalt. Die Angehörigen akzeptierten die Entschuldigung dennoch und bekommen zudem 140.000 Gulden Schadensersatz vom holländischen Staat. CHRISTIAN RATH