Sehnsucht nach Wechsel

In Australien sinkt nur wenige Monate nach dem olympischen Glanz der Stern des konservativen Premierministers John Howard rapide, Labor und Grüne frohlocken

Konservative Stammwähler fühlen sich von der Regierung Howard verprellt

Sydney taz ■ Das politische down under steht Kopf. Noch Ende Januar hätten selbst Grüne den damals noch stabilen australischen Dollar drauf verwettet, dass im Herbst die konservative Regierungskoalition aus Liberaler und Nationaler Partei die Wahlen gewinnt. Premierminister John Howard glaubte, dass der nacholympische Glanz und die das ganze Jahr anhaltenden Feiern des hundertsten Geburtstages der australischen Föderation ihm eine dritte Amtszeit auf dem Silbertablett bescheren würden.

Doch spätestens seit dem vergangenen Samstag ist Howards Traum zu Ende. Bei einer Nachwahl im Bezirk Ryan in der Metropole Brisbane wechselten gut zehn Prozent der Stammwähler von Howards Liberaler Partei zur Labor Partei von Oppositionsführer Kim Beazly. Die Grünen kamen im bürgerlichen Ryan auf 6,1 Prozent, ein Plus von knapp drei Prozent.

Der Umschwung in Ryan, einer seit 52 Jahren sicheren Hochburg der Liberalen, bestätigte den schon kürzlich in den Bundesstaaten Western Australia und Queensland deutlich gewordenen Trend. Stammwähler der Koalition – Mittelstand, Landbevölkerung und die Menschen aus dem „Hypothekengürtel“ der Vorstädte – fühlen sich von Howards Privatisierungs- und Deregulierungspolitik verprellt. Das geringe Ansehen, das der Premier derzeit genießt, verdeutlicht ein zur Zeit kursierender Witz: Wer vermeiden will, von einem Trümmerteil der russischen Raumstation MIR getroffen zu werden, solle in diesen Tagen die Nähe des vom Pech verfolgten Howard meiden.

Nackenschläge musste der konservative Premier, der als Wirtschaftsreformer das Land für die Globalisierung fit machen wollte, in letzter Zeit in Serie einstecken: Wählerproteste gegen die im vergangenen Jahr eingeführte zehnprozentige Mehrwertsteuer, ein erstmals seit zehn Jahren rückläufiges Wirtschaftswachstum, die Gefahr einer Rezession, ein Verfall des australischen Dollar, wachsende Arbeitslosigkeit sowie steigende Benzinpreise.

Oppositionsführer Beazly, der mit dem Slogan von der „Wissensnation“ mit Bildungspolitik Wahlkampf macht, benötigt für den Machtwechsel lediglich einen Zuwachs von einem Prozent der Stimmen bei den voraussichtlich im November stattfindenden Wahlen. Die Grünen haben gute Aussichten im Senat, der zweiten Parlamentskammer, zum Zünglein an der Waage zu werden. Nach jüngsten Umfragen ist die Umweltpolitik nach der Wirtschaft das zweitwichtigste Thema. Attraktiv sind die Grünen, die lange ein Schattendasein führten, besonders bei Jungwählern.

Die Menschen würden sich verstärkt gegen die Entmachtung der Parlamente durch die Börse und die Welthandelsorganisation wehren, sagt Grünen-Senator Bob Brown zur taz. „Im vergangenen Jahrhundert war der Streit Planwirtschaft versus Marktwirtschaft der große Konflikt. In diesem Jahrhundert heißt die Debatte: Börse oder Parlament.“ Für Brown sind die Grünen die einzige Alternative zur De-facto-Weltherrschaft der Konzerne. Mit Labor gebe es zwar in umweltpolitischen Fragen Gemeinsamkeiten. „In der Wirtschaftspolitik ist zwischen Labor und der Koalition jedoch kaum ein Unterschied.“

Auch die Rechtspartei One Nation umwirbt erfolgreich Globalisierungsgegner und -verlierer. Grüne und One Nation vereint in der Antiglobalisierung? „Nein“, sagt Brown bestimmt. „One Nation ist rassistisch. Wir stehen für Menschenrechte, Demokratie und Umwelt.“ MICHAEL LENZ