Rote Flora privatisiert

Hamburgs rot-grüner Senat will Wahlkampfmunition entschärfen und hat das autonome Zentrum an einen Unternehmer verkauft. Der will alles „so lassen, wie es ist“

HAMBURG taz ■ Auf diese Idee können nur wahrhaft hanseatische Kaufleute kommen: ein ewiges Ärgernis einfach zu versilbern. Den Verkauf des autonomen Stadtteilzentrums Rote Flora an den Immobilienkaufmann Klaus Kretschmer hat gestern der rot-grüne Hamburger Senat beschlossen. Für knapp eine drei viertel Million Mark erwirbt der in der Hansestadt als Kulturmäzen bekannte Unternehmer das mehr als 100-jährige ehemalige Theater im Schanzenviertel. Monatelang hatte der Senat mit mehreren Interessenten über den Kauf des Jugendstilgebäudes verhandelt. Die Entscheidung für Kretschmer begründete Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) damit, dass dieser „die gegenwärtige Nutzung als selbst verwaltetes, gemeinnütziges Stadtteilkulturzentrum“ schriftlich garantiere. Der neue Eigentmer wolle alles „so lassen, wie es ist“.

Mit diesem taktischen Schachzug hofft die rot-grüne Koalition auf einen doppelten Erfolg: die politische Verantwortung für das unbequeme Gemäuer und seine widerborstigen NutzerInnen loszuwerden und zugleich der oppositionellen CDU eines ihrer Kernthemen im beginnenden Bürgerschaftswahlkampf zu nehmen. Denn seit der Besetzung durch Autonome vor elf Jahren ist die Rote Flora das umstrittenste Haus der Hansestadt. CDU und Bild-Zeitung verlangen alle paar Monate, „diesen Hort krimineller Chaoten“ zu räumen. Unions-Spitzenkandidat Ole von Beust hatte unlängst angekündigt, den Wahlgang am 23. September „zur Volksabstimmung über die Rote Flora zu machen“.

Erst im Februar hatte das Plenum der Flora nach monatelangen Debatten einen Mietvertragsentwurf des Senats abgelehnt. Es überwog die Befürchtung, dass ein Vertrag „mehr als nur organisatorische Veränderungen bewirkt“. Das „politische Selbstverständnis des Projekts“, so die Absage an den Senat, „sei nicht verhandelbar“. Die erste Reaktion der Floristen, die von den parallel geführten Kaufverhandlungen erst aus den Medien erfahren hatten, fiel wie erwartet aus: „Die Rote Flora bleibt unverträglich, sie ist und wird nicht käuflich sein.“

SVEN-MICHAEL VEIT