Blondie für die Merkels

Der gebürtige Ghanaer Gerald Asamoah von Schalke 04 hat sich für den DFB entschieden und soll heute beim A2-Länderspiel gegen Frankreich erster schwarzer Nationalspieler seit Kostedde werden

von BERND MÜLLENDER

1977 war der große FC Schalke 04 mal wieder ganz knapp nicht Meister geworden. Das trainierende Lästermaul Max Merkel hatte damals eine einleuchtende Erklärung: „Da san zu viele Blonde drin“, analysierte er klarsichtig beim Blick auf das Personal um die Kremers-Twins, Bongartz, Sobieray, Lütkebohmert, den noch haarumkränzten Rüssmann et al.

Wenige Monate später wurde irgendwo in den Weiten Ghanas ein Junge gezeugt, den seine Eltern Gerald nannten. 1990, mit kaum 12 Jahren, kam er in ein Land, wo bald die ersten Asylbewerberheime brannten. Gerald Asamoah spielte Fußball in diesem Land, schaffte den Sprung zu den Profis, wo er für Hannover 96 in der 2. Liga 1997/98 als 18-Jähriger 20 Tore schoss. 1999 wechselte er zum FC Schalke 04. Dort bekam der sehr schwarze Mann vom sehr smarten Manager Rudi Assauer bald den Spitznamen „Blondie“. Im Ruhrpott sind solche Spitzfindigkeiten Basishumor.

Jetzt hat sich der 22-jährige Blondie entschieden: Er will nicht für Ghana spielen, sondern für seine Wahlheimat. Schon heute Abend, beim Freundschaftsspiel von Horst Hrubeschs A2 gegen Frankreich, soll Premiere sein für den stürmenden Klotz von 85 Kilo Kampfgewicht mit „einem Kreuz wie Helmut Kohl und einem Nacken wie Axel Schulz“ (Spiegel). Abgesehen von Erwin Kostedde, der 1974/75 dreimal für den DFB nach dem Ball trat, ist Asamoah der erste Schwarze im schwarz-rot-goldenen Trikot. Und die DFB-Auswahl nicht mehr das einzige Land Mitteleuropas mit ausschließlich Weißen drin.

Dass der gläubige Christ Asamoah überhaupt noch Fußball spielt, verdankt er nach eigenen Aussagen allein Gott, weltlicher gesagt: dem richtigen Attest des richtigen Arztes. Im September 1998 war Asamoah vor einem Spiel fast kollabiert, die Ärzte in Hannover stellten eine angeborene und nicht operable Verdickung der Herzwände fest und rieten dringend vom Leistungssport ab. Asamoah war „total am Boden“ und „unendlich traurig“. Nicht aus Angst vor dem Tod, sondern aus Angst vor dem Leben. Dem ohne die Kugel. Bei ihm sei doch alles immer „nur Fußball, Fußball, Fußball“ gewesen.

Gerald Asamoah hat wochenlang „viel geweint“ und „noch mehr gebetet, jeden Tag“. Erst als ein US-Mediziner das Infarktrisiko auf unter ein Prozent einstufte, gab es grünes Licht. Das sich Asamoah selbst geben muss – denn er spielt seitdem auf eigenes Risiko. Im Fall der Fälle wäre sein Club (oder jetzt der DFB) von aller Haftung ausgeschlossen. Was bleibt, ist der Bluthochdruck, die Tabletten dagegen und der Defibrillator, eine Art Wiederbelebungsgerät für den Notfall, immer dabei.

Sechs Tore hat er erst für Schalke geschossen. In der Startelf war er verletzungs- und konkurrenzbedingt (Sand, Mpenza) nur zeitweise. Aber es geht ihm wieder richtig gut, und er gilt als sehr beliebt bei den Mitstreitern im Team. Manager Assauer mag seinen Blondie sowieso: „Der steht morgens auf und lacht, der geht abends ins Bett und lacht, den ganzen Tag lacht der, du siehst nur seine weißen Zähne.“

Gerald Asamoah hat einmal gesagt, dass die vielen Reisestrapazen bei häufigen Ghana-Einsätzen „sicher ein großer Stress für mein Herz wären“. Rudi Assauer weiß von Asamoahs Vater William: „Für ihn wäre es das Größte, wenn Gerald für Ghana spielen würde.“ Und ergänzt: „Ich finde so einen Nationalstolz gut. Aber der Vater soll auch für seinen Sohn denken.“ Und an Deutschland in der Nacht: „Eines Tages“, endete 1999 ein Spiegel-Porträt, „möchte Gerald Asamoah für Deutschland spielen, um den Rassismus zu besiegen.“ Ein Zitat war das nicht, mehr ein frommer Wunsch.

Geburtstag hat Gerald Asamoah am 3. Oktober, dem deutschen Nationalfeiertag. Ein Omen voll patriotischer Kraft. Ob Asamoah stolz ist, einen deutschen Pass zu haben, und zum Adler auf der Brust die Hymne singen wird, wissen wir nicht. Vielleicht laden ihn CDU-General Laurenz Meyer oder Parteichefin Angela Merkel ja mal zum Meinungsaustausch ein. Wie auch immer Asamoahs großes Herz tickt: Nach Max Merkels Haarfarbenlehre kann es mit Deutschland, zumindest im Fußball, jetzt nur noch aufwärts gehen.