„Wir sind die bewaffnete Bewegung des Volkes“

Sadri Ahmati, der Sprecher der „Nationalen Befreiungsarmee“ (UÇK) in Makedonien, über die politischen Forderungen und die Ziele der albanischen Rebellen

Sadri Ahmati stammt aus der Region Tetovo. Er ist einer der lokalen Kommandeure der „befreiten Gebiete“ in den Bergen um die Stadt. Der etwa 30-jährige Mann hat seine militärischen Erfahrungen 1998/99 in der UÇK im Westkosovo gesammelt. Das Gespräch wurde im Hauptquartier der UÇK im Dorf Selce nahe Tetovo geführt.

taz: Herr Ahmati, die UÇK-Kämpfer werden von aller Welt als Terroristen bezeichnet. Was sagen Sie dazu ?

Sadri Ahmati: Jemanden als Terroristen zu bezeichnen, der in der gesamten albanischen Bevölkerung Makedoniens Rückhalt genießt, ist mehr als abwegig.

Wie lauten die Ziele der UÇK in Makedonien?

Wir streben die Befreiung des gesamten Territoriums an.

Wo ziehen Sie denn die Grenzen dieses Territoriums?

Es handelt sich dabei um Territorien, in denen die Albaner die Bevölkerungsmehrheit stellen. Wir erheben jedoch auch Anspruch auf jene Städte, die historisch unsere Städte waren.

Das heißt, Sie erheben auch Anspruch auf die Hauptstadt Skopje?

Ja.

Wie stark ist die UÇK?

In Gebiet um Tetovo verfügen wir über 2.000 Kämpfer, die in drei Bataillone gegliedert sind. Insgesamt gibt es 7.000 Mann. Das jetzt befreite Gebiet umfasst sieben Dörfer, in denen sich 4.000 Zivilisten aufhalten.

Die makedonische Polizei verfügt über 25.000 Mann, die Armee ist 6.000 Mann stark. Rechnen Sie sich da Chancen aus?

Die makedonischen Streitkräfte belegen die Berghänge mit Artilleriefeuer. Militärisch können Sie uns so nicht treffen. Bisher haben wir glücklicherweise nur einen Toten und sieben Verletzte, davon fünf Zivilisten, zu beklagen. Die Makedonier schießen in Tetovo aus Stellungen heraus, wo sich auch Zivilisten aufhalten. Um die Zivilisten in der Stadt nicht zu gefährden, können wir oftmals nicht reagieren. Die Makedonier verstecken sich zudem hinter den deutschen Nato-Streitkräften.

Die sollen aber von Ihrer Seite aus beschossen worden sein.

Nein, wir haben nicht auf die deutschen Nato-Soldaten geschossen.

Trotzdem hat die Nato als Reaktion mit Intervention gedroht. Das muss Ihnen doch zu denken geben.

Letztlich kann die Nato nicht gegen eine Befreiungsarmee kämpfen. Und sie wird dies nach unserer Einschätzung auch nicht tun.

Der Druck auf die Nato steigt, die Grenzen zum Kosovo zu schließen und Ihnen den Hahn zuzudrehen.

Wir sind für unseren Nachschub nicht auf die Bergpfade zum Kosovo angewiesen. Die Waffen, die wir hier haben, sind nicht aus dem Kosovo.

Woher haben Sie denn Ihre Waffen?

(Ahmati zeigt auf seine Kalaschnikow) Die ist aus jugoslawischer Produktion.

Sie kaufen Ihre Waffen also von den Serben?

(Ahmati schweigt)

Wollen Sie den Konflikt hier ausschließlich militärisch entscheiden?

Wir müssen natürlich auch politisch eine Übereinkunft erreichen. Ohne Dialog ist der Konflikt nicht zu lösen. Wir sind dabei, eine Verhandlungsdelegation zu bilden.

Streben Sie direkte Gespräche mit der Regierung an oder wollen Sie eine internationale Vermittlung?

Wir haben niemals Verhandlungen ohne die Vermittlung der Internationalen Gemeinschaft geführt. Das wird auch so bleiben. Aber konkret sind noch keine Schritte erfolgt.

Wie stehen Sie zu den albanischen Parteien, etwa zur Demokratischen Partei der Albaner?

Die albanischen Parteien in Makedonien haben ihre Unterstützung im Volk verloren, weil sie ihre Versprechungen nicht gehalten haben. Wir werden nur mit jenen Mitgliedern dieser Parteien kooperieren, die das auch verdienen.

Was ist mit den albanischen Polizisten, die jetzt ihren Dienst tun. Sind das in Ihren Augen Kollaborateure?

Wir schießen nur auf Uniformen.

Wie lange haben Sie den Kampf vorbereitet?

Die Vorbereitungen laufen seit zwei Jahren.

Das erklärt, dass Sie in den Dörfern, die die UÇK nicht beherrscht, Zivilschutzräte bilden konnten.

Die Zivilschutzräte wurden in jenen Territorien ins Leben gerufen, in denen sich die UÇK nicht befindet. Unserer Nation weiß, wer sie angreifen will. Deshalb müssen wir jetzt mit allem rechnen. Die makedonischen Zivilisten sind bewaffnet, die sind zusammen mit den Polizeikräften zu Übergriffen bereit, zu Massakern an unserer Zivilbevölkerung.

Wird der Staat Makedonien nach diesem Krieg weiter bestehen?

Der Konflikt wird innerhalb der Grenzen Makedoniens gelöst werden.

Wie würden Sie die politische Verfasstheit des Territoriums, das Sie beherrschen, beschreiben? Ist das eine Militärdiktatur?

Wir haben jetzt hier keine Staatspolizei mehr, es gibt aber Ordnungskräfte der UÇK. Alle Bewohner dieser Region halten sich für Soldaten der UÇK.

Also eine Militärdiktatur.

Nicht ganz, denn die Menschen kommen freiwillig zu uns. Wir sind die bewaffnete Bewegung des Volkes.

INTERVIEW: ERICH RATHFELDER