Kommt jetzt die Wende im Toros-Prozess?

■ Seit gestern gibt es keinen Grund mehr, dem Haupt-entlastungszeugen der Verteidigung zu trauen / Auf seine Aussage stützte sich die Freilassung zweier Angeklagter

Sind zwei mutmaßliche Vergewaltiger aus Bremer Untersuchungshaft frei gekommen, weil ihr Hauptentlastungszeuge gelogen hat? Dafür spricht seit dem gestrigen Verhandlungstag im langwierigen Prozess um eine Vergewaltigung im Viertel-Imbiss Toros einiges – wenn nicht alles. Das jedenfalls ergab die Zeugenaussage eines Polizisten vorm Landgericht.

Der Beamte war im Oktober letzten Jahres – drei Monate nach der angezeigten Tat – zum Einsatz an den Sielwall geschickt worden, nachdem der Imbissbesitzer selbst die Polizei alarmiert hatte. Bei ihm sei der unbeteiligte Kunde wieder aufgetaucht, der zur Tatzeit im Imbiss gewesen sei. Der müsse bestätigen können, dass die 29-jährige Studentin lüge, die ihre Vergewaltigung durch mehrere Toros-Mitarbeiter im Keller des Hauses angezeigt hatte; unter Tatverdacht stand damals auch der Bruder des Imbiss-betreibers. Auch habe die – lesbisch lebende – Frau diesen Zeugen gleich nach der Tat, also am Sonntag früh, sexuell angemacht. Später vor Gericht hieß es, sie habe den angetrunkenen Mann gefragt, ob er sie bumsen wolle, sie sei sowieso gerade vergewaltigt worden.

Empörte Beobachterinnen des Verfahrens sprechen insbesondere wegen der im Gerichtssaal herrschenden Atmosphäre schon länger von einem „Hexenprozess“. Gestern dürfte ihre Kritik neue Nahrung bekommen haben. Denn nachdem die Glaubwürdigkeit der Zeugin vom Gericht in Zweifel gezogen worden war – auch weil die Nebenklagevertreterin wesentliche Fragen nicht aufzuklären half – ist nun unverständlich, wieso das Gericht andererseits diesem Zeugen so viel Glauben schenkte.

Nach Auskunft des unbeteiligten Streifenpolizisten nämlich hatte der Zeuge im Oktober noch angegeben, die Frau am Vorabend der Tat getroffen zu haben. Der Mann sei „genervt“ von ihr gewesen. Denn die Frau – die er später als Nebenklägerin im Prozess wieder erkannt haben wollte – habe ihn nach der Anmache einfach stehen-lassen, um mit einem Mann auf der anderen Straßenseite offenbar etwas Geschäftliches abzuwickeln. So jedenfalls berichtete der Polizist gestern von der ersten Aussage des Zeugen, der wohl geglaubt hatte „es könnte vielleicht noch ein gemeinsamer Abend werden“.

Vor Gericht allerdings hatte jener „genervte“ Zeuge erst kürzlich ausgesagt, der Frau früh morgens, gleich nach der Tat begegnet zu sein. Die Frage der Staatsanwältin, ob er die Frau vielleicht vorher gesehen hatte, – „waren Sie vorher schon einmal da?“ – hatte er un-missverständlich beantwortet: Er käme „immer nur morgens (...). Wenn ich Nachtschicht hatte.“ Allerdings hatte er wenig später im Zeugenstand auch gesagt: „An dem Abend habe ich sie gesehen.“

Diese offenkundigen Widersprüche zwischen Zeugenaussage und Polizeiprotokoll waren für die Erste Strafkammer unter Vorsitz von Richter Werner Oetken jedoch wenig bedeutsam. So wurde die Aufhebung des Haftbefehls gegen die zwei Angeklagten unter anderem auf die Aussage des Dönerkunden gestützt. Es gebe „keine Anhaltspunkte für eine abgekartete Falschaussage“, hatte der Beisitzende Richter Dirk Harms erklärt. Dies werde durch das „intellektuell wenig eindrucksvolle Erscheinungsbild des Zeugen L.“ gestützt. Auch dass der Mann angegeben hatte, die Frau habe sich am Tatmorgen ein Bier bestellt und getrunken, wurde der Nebenklägerin zum Nachteil ausgelegt – zumal sie die 1,5 Promille Alkohol in ihrem Blut nicht erklären konnte.

Erst in der letzten Verhandlung am Montag war bekannt geworden, dass die Blutprobe der Nebenklägerin unter offenkundig fragwürdigen Umständen gelagert und mangelhaft katalogisiert worden ist. Wahrscheinlich wird die Authentizität der Probe nun anhand einer DNA-Analyse überprüft werden.

ede