Ein erstes Abtasten

Der Prozess gegen vier mutmaßliche Mitglieder der Revolutionären Zellen begann gestern mit viel Sicherheitstamtam – und endete nach zwei Stunden wieder. Nicht mal die Anklage wurde verlesen

von HEIKE KLEFFNER

Der irische Schriftsteller und Jurist Sean McGuffin war sichtlich verärgert. Nicht einmal seinen Kugelschreiber und den Notizblock durfte er mitnehmen, als er zusammen mit vier extra aus der Schweiz, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien angereisten Beobachtern und rund 50 Unterstützern zum Prozessauftakt im so genannten Revolutionären-Zellen-Prozess den Hochsicherheitssaal 500 des Berliner Landgerichts betreten wollte. Auch Verteidiger Jonny Eisenberg schimpfte über „die Symbole der Terroristenprozesse aus den 70er-Jahren“.

Da wurden die Ausweise der Prozessbesucher kopiert, akribisch Taschen und Kleidung durchforstet und eine Sicherheitsschleuse aus kugelsicherem Glas aktiviert. Auf der Strecke blieben allerdings nur Handys, Tabakpäckchen und eben Schreibwerkzeug aller Art. Und zwei Dutzend Besucher, die die Polizeibeamten am Eingang abwiesen, obwohl der Zuschauerraum noch keineswegs überfüllt war.

Wer es nach langem Warten im Schneegestöber dann in den Saal mit dem ausgetretenen roten Linoleumfußboden geschafft hatte, begrüßte die vier Angeklagten über die dicht gefüllten Pressebänke hinweg mit Lachen und Winken.

Immerhin hatte die Vorsitzende Richterin Gisela Hennig darauf verzichtet, die vier Angeklagten Matthias Borgman, Sabine Eckle, Harald Glöde und Alexander Haug in die eigens für derartige Verfahren eingebauten Glaskästen im Gerichtssaal zu verbannen. Stattdessen fanden sich die fast durchweg ergrauten Angeklagten – ganz dezent in Kostüm, Jacketts und Hemden gekleidet – neben ihren acht Verteidigern und Verteidigerinnen an langen Holztischen zu Füßen des fünfköpfigen Richtergremiums und der drei Ankläger von der Bundesanwaltschaft wieder.

Dass die über ein Jahr andauernde Untersuchungshaft an den vier Beschuldigten nicht spurlos vorbeigegangen ist, wurde vor allem bei Sabine Eckle deutlich. Unter verständnisvollem Nicken von kopfschmerzerfahrenen Journalisten und Unterstützern ließen die Verteidiger ausführlich die schweren Migräneanfällen der Frankfurterin erörtern. Eine Entscheidung des Gerichts darüber, inwieweit ihre Verhandlungsfähigkeit dadurch beeinträchtigt ist, wird allerdings erst in der nächsten Woche erwartet. Dann wird auch erst die Anklage über Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§129a) und die Beteiligung an zwei Sprengstoffanschlägen verlesen werden.

Zuvor müssen sich die Richter mit einer Reihe von Anträgen der Verteidiger beschäftigen. Neben prozessualem Geplänkel um die Vorbereitung einer Rüge gegen die Zusammenstellung der Ersatzrichter bestimmte vor allem die Auseinandersetzung um die Sicherheitsvorkehrungen die Auftaktrunde des Prozesses. Dabei hatten vor allem Verteidiger Jonny Eisenberg und Rolf Becker die Lacher der Zuschauer auf ihrer Seite. Beispielsweise als sie die Bewaffnung der BKA-Beamten für den im Mai vorgesehenen Auftritt des Kronzeugen Tarek Mousli beanstandeten und erklärten: „Die Hauptbedrohung des Herrn Mousli geht von ihm selber aus.“ Der sei immerhin mit einer kugelsicheren Weste ausgestattet, während die übrigen Prozessbeteiligten eventuellen „hysterischen Reaktionen“ der Personenschützer schutzlos ausgeliefert seien.

Während die Richter die Forderung der Verteidigerriege, auf derartige „Inszenierungen“ zu verzichten und „einen normalen Strafprozess“ zu ermöglichen, kommentarlos entgegennahm, konterte der Sprecher der drei Bundesanwälte, dass sich das Publikum zunächst entspannen müsse, bevor an Lockerungen zu denken sei.

Das Spannungspotenzial, das sich in den hinter der Richterbank aufgereihten mehr als 70 Aktenordnern verbirgt, kam aufgrund der Entscheidung, den Prozess nach zwei Stunden zu vertagen, noch nicht zur Sprache. So prägte vor allem die Kritik der internationalen und bundesdeutschen Prozessbeobachter an der fortgesetzten Haft der vier Angeklagten und den Sonderbestimmungen des §129a sowie der Kronzeugenregelung das Ende des ersten Verhandlungstages. Beide Regelungen seien „schlichtweg verfassungswidrig“, hieß es da einstimmig.

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