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: Clirim Bashi zahlt und spielt nicht für Albanien

Bierhoff bleibt unkaputtbar

Wenn die deutsche Nationalelf am Samstag (20.30 Uhr, ZDF) in Leverkusen gegen Albanien zur WM-Qualifikation antritt, werden beim Gegner fünf Profis mitwirken, die in Deutschland arbeiten. In dieser Woche waren sie gefragte Interviewpartner, ob Altin Rraklli in Unterhaching oder Albaniens Kapitän Rudi Vata von Energie Cottbus: „Das Telefon stand selten still. Ich musste sehr viel Auskunft geben.“ Länderspiele, verbrämt mit viel nationalem Gebimmel, gelten den Kickern, im großen Deutschland wie im kleinen Albanien, als besonderes Schaulaufen. Und dienen zur Steigerung des eigenen Marktwerts. Eigentlich wären selbst gezahlte Antrittsgelder marktwirtschaftlich logisch. Und warum sollte im Fußball, wie im richtigen Leben, der schmale Grat zu kriminellen Methoden nicht auch mal überschritten werden?

Hier müssen wir den Albaner Clirim Bashi (30) einwechseln, der seit drei Jahren bei Zweitligist Alemannia Aachen als unerbittlicher Abwehrrecke arbeitet. Nationalspieler ist auch er, war schon 1994 in Kaiserslautern beim 1:2 dabei und auch bei Albaniens tollem 2:0-Sieg gegen Griechenland im vergangenen Oktober. Wenn Clirim Bashi, genannt Jimmy, etwas wichtig ist, spannt er im Gespräch den Oberkörper an, rückt nah an einen heran, legt den Kopf etwas zurück und gibt den bösen Skipetaren: „Bierhoff?! Wer ist das? Soll kommen“, brummt er dann mit seiner Bassstimme, „Bierhoff, den mach ich kaputt. Auf den bin ich heiß.“ Und grinst grimm. Ist das ernst gemeint? „Oh, manchmal bin ich ein Hitzkopf“, sagt er dann lachend und erzählt noch, dass er vor einem Spiel gern reichlich Knoblauch esse – zum einschüchternden Ekel der Gegenspieler und als eine Art skipetarisches Natur-Creatin.

Verärgert erzählt er jetzt aber auch eine andere Geschichte. Eine von mysteriösen Anrufen, er solle 5.000 US-Dollar zahlen, direkt an Cheftrainer Medin Zhega, damit der ihn wieder berufe. Antrittsgeld. Auflaufprämie anders herum. Zuletzt habe der Unbekannte vor zwei Wochen angerufen. Bashi ignorierte das Begehr. Am Montag fehlte er im Aufgebot.

Sind Bashis Erzählungen beleidigte Rache für die unerwartete Ausbootung? Mitspieler seien Zeugen, sagt er, dass die Anrufe schon im November kamen. Merkwürdig: In albanischen Medien erschienen jetzt Berichte, nach denen Bashi in Chemnitz gerade vom Platz geflogen sei und lange nicht mehr zur Stammelf gehöre. Was beides falsch ist. Bashi spielte die Saison fast komplett und lieferte gerade zuletzt starke Auftritte ab.

Albanien, immer mythenumflort, ist auch fußballerisch immer noch in Europas Abseits. Sein Verband ist, anders als Länder wie San Marino oder sogar Moldawien, einer der letzten ohne Website. Einen Verbandssprecher gibt es nicht. Clirim Bashi peilt in seiner ältlichen Aachener Etagenwohnung mit der schwenkbaren Schüssel die Satelliten an und lässt die Fernbedienung von Programmplatz 280 bis 300 laufen: „Alle Länder, alle Spiele“, sagt er, „auch ein albanischer Sender.“

1992, mitten in des Landes Umbruch, war Clirim Bashi abgehauen. Ohne Abschied, ohne Abschluss seines Chemiestudiums. Mit seiner Club-Mannschaft Vilaznia Shkoder war er gerade in Frankreich. „Auf Korsika sind gleich vier von uns dageblieben. In Nizza waren die nächsten drei weg, und in der Nacht vor dem Rückflug kam ein VW-Bus aus Deutschland zu unserem Hotel, hat vier Leute eingeladen, und weg.“ Wie bei den kleinen Negerlein. Nur schneller.

Und er? „Man wusste ja nicht, was wird zu Hause, Kommunismus, die Unruhen. Die ganze Nacht hab ich überlegt. Und auf dem Flughafen morgens dann dem Trainer gesagt: Ich gehe auch. Und bin mit einer Tüte in der Hand in den Zug nach Straßburg.“ Bashi landete bald im Asylbewerberheim Zweibrücken („da war auch ein Fußball-Verein“), kam dann nach Speyer („zuerst Kreisliga A“). Danach ging es jedes Jahr eine Spielklasse höher.

Trainer Zhega sagt zu den Erpressungsvorwürfen: „Da will sich ein Ersatzspieler nur interessant machen.“ Zum Match wollen heute auch Albaniens Innen- und Außenminister einfliegen. Ein Klärungstermin, heißt es, sei vereinbart. Jetzt sagt Zhega über Bashi: „Mit so einem setze ich mich nicht an einen Tisch.“ Bashi kontert frech: „Ich gehe davon aus, dass er am Samstag nicht mehr Nationaltrainer ist.“ Seitdem will er sich nicht mehr äußern und hat sein Mobiltelefon abgeschaltet. Wer war der Anrufer? Ein Offizieller? Ein Trittbrettfahrer? Der verängstigte Bierhoff?

Was auch immer innerste Antriebsfeder der Albaner ist, Rudi Völler weiß zu warnen: „Die strotzen vor Selbstbewusstsein.“ Die letzten sechs Begegnungen endeten jeweils mühsam mit einem Tor Vorsprung. Und das weltweit belachte 0:0 auf dem Schotterplatz von Tirana am 17. 12. 1967, das die Deutschen damals die EM kostete, wird in der DFB-Schreckensbilanz auf ewig ziemlich weit oben stehen.

BERND MÜLLENDER