Parade der Statistinnen

Nach einem Boom von Büchern, die sich mit der Rolle der Frau im Nationalsozialismus befassen, nimmt sich nun auch das Fernsehen des Themas an. Doch hier wie dort beschränkt sich die Aufbereitung darauf, die Frauen als durch die Nazi-Ideologie Verführte zu schildern

von NICOLE MASCHLER

Die Story war ganz nach seinem Geschmack: große Politik, das Widerspiel von Macht und Unterwerfung, dazu eine Prise Sex. Eigentlich wollte Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein in jener November-Ausgabe „Hitler und die Frauen“ auf dem Cover sehen. Doch Chefredakteur Stefan Aust befand, BSE sei wichtiger, und ließ die Nazifrauen kurzerhand auf fünf Seiten abhandeln. Augstein tobte, die Stern-Redaktion jubelte – hatte sie doch ebenfalls eine Titelgeschichte zum Thema in Auftrag gegeben.

In den Buchläden füllen sie die Bestsellerregale, und auch das Fernsehen hat die Gefährtinnen der NS-Größen entdeckt: Ein Sechsteiler von ZDF-Universalhistoriker Guido Knopp im April, Geschichtsunterricht in drei Folgen ab Montag auf Sat.1. 56 Jahre nach Kriegsende, so legen Publikationen und Filme nahe, wenden sich Wissenschaftler erstmals der weiblichen Bevölkerung im NS-Staat zu.

Dabei haben Historikerinnen die Rolle ihrer Geschlechtsgenossinnen im Nationalsozialismus bereits seit einem Vierteljahrhundert in den Blick genommen. Allein, die traditionelle Geschichtsschreibung hat deren Ergebnisse bis heute nicht berücksichtigt. Diese Ignoranz brachte der Zunft bereits in den Siebzigerjahren von Seiten feministischer Wissenschaftlerinnen den Sexismusvorwurf ein und lässt die Hamburger Soziologin Gudrun Schwarz noch heute eine ausschließlich „um die ganz normalen Männer“ zentrierte Forschung beklagen.

Nun aber, glaubt Hitler-Biografin Brigitte Hamann, wachse eine neue Lesergeneration heran. Eine „nüchterne Generation“, die Fragen nach der grundsätzlichen Verführbarkeit von Menschen stelle. Allein weder Bücher noch Filme lösen diesen Anspruch ein. Denn sie bleiben letztlich alten Denkmustern verhaftet. Die Wiener Historikerin Anna Maria Sigmund etwa hat sich in ihrem zweibändigen Werk „Die Frauen der Nazis“ auf die Spur der NS-Anhängerinnen begeben – von Gefährtinnen wie Eva Braun und Magda Goebbels über Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink bis zur Filmemacherin Leni Riefenstahl. Dabei stützt sich die Historikerin vor allem auf Autobiografien aus der Nachkriegszeit und auf Berichte von Zeitzeugen. Vieles übernimmt sie kritiklos, wo Einordnung geboten wäre.

Mehr als die Summe der Einzelporträts vermögen die beiden Bände nicht zu vermitteln. Die gegensätzlichen Lebenswirklichkeiten etwa von Magda Goebbels, die die NS-Frauenideologie geradezu idealtypisch verkörpert, und Filmemacherin Leni Riefenstahl, die das Rollenbild durchbricht, bleiben ausgeblendet. Dabei hätte sich hier die Möglichkeit geboten, die Handlungsspielräume von Frauen im Nationalsozialismus auszuloten.

Als Leni Riefenstahl von Goebbels 1933 den Auftrag erhielt, einen Film vom Reichsparteitag zu drehen, benannte sie ihre Filmgesellschaft in „Reichsparteitagfilm“ um. In der Folge entstanden „Triumph des Willens“ und die beiden Olympia-Filme. Nach Kriegsausbruch machte sie eine Schulung zur Berichterstatterin für den Fronteinsatz. Doch die Eindrücke von den Mordtaten der Nazis in Polen ließen sie zurückschrecken. Nachdem sich Riefenstahl geweigert hatte, einen Film über die „Siegfriedlinie“ zu drehen, konnte sie bei ihren Projekten nicht länger auf die Unterstützung durch Goebbels und die Reichskulturkammer hoffen. Dennoch brach sie nicht mit den Nazis. Nach dem Krieg warfen ihr die Alliierten Verherrlichung der NS-Ideologie vor. Riefenstahl, die sich selbst immer als unpolitisch betrachtet hat, rechtfertigte sich. Sie habe nur gezeigt, „was da war“.

Auch Magda Goebbels verfolgte ihre Lebensziele konsequent – auch wenn sich ihr Ehrgeiz nicht wie bei Riefenstahl in eigenem Schaffen ausdrückte. Als sie 1930 den späteren Propagandaminister kennen lernte, hatte sie bereits eine gescheiterte Ehe mit dem Industriellen Günther Quandt hinter sich, damals einer der reichsten Männer Deutschlands. Sie begann, in der örtlichen NS-Frauenschaft mitzuarbeiten und übernahm schließlich die Betreuung von Goebbels’ Privatarchiv.

Vom Auftreten der weltgewandten, eleganten Magda an der Seite Goebbels’ erhoffte sich Adolf Hitler einen Prestigegewinn für die Partei. Als er ihre Heirat arrangierte, fühlte sie sich geschmeichelt. Hitler wolle sie um sich wissen, glaubte sie. So war es der Wetteifer um seine Gunst, schreibt Autorin Sigmund, der Magda Goebbels und ihren Mann verband. Doch es war auch politischer Ehrgeiz, den sie über ihren Mann auslebte. „Magda ist sehr unglücklich, weil ich nicht vorankomme. Man übergeht mich [. . .]. Magda weint noch immer“, schrieb Goebbels im Februar 1933 in sein Tagebuch.

Die Berichte über die Verdrängung von Frauen aus dem Beruf wies Magda Goebbels in einem Interview mit einer britischen Journalistin als übertrieben zurück. Nur aus drei Bereichen würden sie ausgeschlossen: aus dem militärischen, aus der Regierung und der Rechtspflege. Ohnehin sei die Heirat zweifelsfrei das Beste für die Frau. Sie selbst spielte die Rolle der Ehefrau und Mutter perfekt. Ihr Mann nutzte die scheinbare häusliche Idylle als Propagandakulisse. So entstand das Bild der nationalsozialistischen Musterfamilie.

Ungeachtet der zahlreichen Affären des Propagandaministers – nach außen stand Magda Goebbels immer treu an der Seite ihres Mannes. Dafür nahm sie auch den Bruch mit dem jüdischen Stiefvater Friedländer in Kauf. Doch auch in Knopps Filmporträt erscheint Magda Goebbels als bloßes Objekt in einer von Männern gestalteten Welt. Sie ist „Statistin“, „Geisel“, „die gute Miene im bösen Spiel“. Eine Frau, die sich der NS-Ideologie zur Durchsetzung eigener Interessen bedient, ist sie nicht.

Die Frage, inwieweit auch Magda Goebbels in ihrer Rolle als treu sorgende Gattin den Tätern den Rücken stärkte, beantworten weder Buch noch Film. Eine Frage, die Frauenforscherinnen seit Jahren beschäftigt: Wo beginnt die Mitverantwortung? So verwundert es nicht, dass Frauen als Täterinnen weder bei Sigmund noch bei Knopp auftauchen. Dabei haben Historikerinnen ihr Augenmerk längst auch auf diejenigen gerichtet, die an den nationalsozialistischen Verbrechen direkt beteiligt waren: KZ-Aufseherinnen, Krankenschwestern oder Sozialfürsorgerinnen.

Doch die Frauen erscheinen hier nicht als eigenständig Handelnde, sondern als Opfer oder höchstens als Nutznießerinnen des Regimes. Die Schuldfrage, glaubt die Soziologin Gudrun Schwarz, wurde nach dem Krieg nie diskutiert. Wenn nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes schon Schuld verteilt werden musste, so Schwarz, sollte wenigstens der weibliche Teil der Bevölkerung freigesprochen werden. „Männer führen Kriege, Frauen müssen sie ertragen“, schreibt die Zeitschrift Der Regenbogen im Februar 1946. Die Frau: das friedliche Geschlecht. Damals entstand das Bild von der „Trümmerfrau“, die ohne belastende Vergangenheit Deutschland entrümpelte.

Erst in den letzten Jahren hat dieses Bild Kratzer erhalten. „Als hätte es nie BDM-Mädchen, jubelnde Hitler-Verehrerinnen und -Wählerinnen, nie weibliche Spitzel, nie KZ-Aufseherinnen gegeben, die Menschen gequält oder getötet haben: Freispruch für ein ganzes Geschlecht“, stellte Barbara Supp diesen Gründungsmythos 1995 in einem Rückblick auf die „Stunde null“ in Frage.

Verständlich, dass AutorInnen und Regisseure sich hüten, diesen gesellschaftlichen Konsens zu verlassen. Die Ergebnisse der Frauenforschung werden lieber ignoriert. Der Kampf um Quoten und Auflagen lässt sich mit unbequemen Wahrheiten nicht gewinnen. Dass es gerade die Gefährtinnen der NS-Führer sind, die beleuchtet werden, ist da nur konsequent. Wenn sich selbst bei den Gattinnen der Nazi-Funktionäre die Frage nach der Mitverantwortung für die Mordtaten ihrer Männer ausschließt, gilt das für die „ganz normalen Frauen“ erst recht.

Das Geschichtsbild, das hier transportiert werden soll: So wie den Frauen eine eigenständige Rolle abgesprochen wird, erscheinen die Deutschen insgesamt als Verführte. Nicht umsonst tragen die Beiträge der Knopp-Reihe Titel wie „Hitlers Helfer“, „Hitlers Soldaten“ oder eben „Hitlers Frauen“. So wird am Mythos von Hitler, der über die Deutschen kam, kräftig weitergestrickt.

Literatur: Anja Klabunde: „Magda Goebbels“. München 1999, Bertelsmann, 335 Seiten, 44,90 Mark; Anna Maria Sigmund: „Die Frauen der Nazis“. Zwei Bände, Wien, Ueberreuter, je ca. 230 Seiten, 39,80 Mark; Erich Schaake: „Hitlers Frauen“. München 2000, List, 39,90 Mark; Wolfgang Schneider: „Frauen unterm Hakenkreuz“. Hamburg 2001, Hoffmann und Campe, 240 Seiten, 39,90 MarkNICOLE MASCHLER, 29, arbeitet im Inlandsressort der taz