Die Inflation der italienischen Drei-Gläser-Weine

Werden die Gewächse aus Piemont und Toskana wirklich jedes Jahr so viel besser?

Fuchs, Kater und Pinocchio rasteten im Gasthof „Zum Roten Krebs“ und begegneten einer gelben Schnecke. Sie aßen und tranken ein, zwei, drei Gläser und kamen ins Lamentieren über die verwirrende Vielfalt italienischer Weine. So beschlossen sie, ein großes rotes Buch zu verfassen ...

Jetzt ist die vierzehnte Ausgabe des „Gambero Rosso“ in deutscher Sprache erschienen. Der Hallwag Verlag lud zur Präsentation ins „Interconti“ Berlin. Von 230 höchstbenoteten „Drei-Gläser-Weinen“ standen 195 zum Verkosten bereit. Die meisten Winzer waren persönlich angereist, und nach einem Plädoyer der Herausgeber Daniele Cernilli und Carlo Petrini für mehr Respekt vor Landschaft, Natur und gewachsener Kultur durfte probiert werden.

Dabei wurde ein Problem dieses Weinführers offensichtlich. Die Zahl der höchstbewerten „Tre Bicchieri“-Weine wächst jedes Jahr inflationär um beinahe ein Drittel. Die Herausgeber erklären dies mit angeblich ständig steigender Qualität und Topjahrgängen. Beim Verkosten scheint den Krebs jedoch gelegentlich die patriotische Begeisterung übermannt zu haben. Dass der Titel „Weißwein des Jahres“ an einen Soave ging, vermag niemand zu überraschen, der die Weine Leonildo Pieropans kennt. Dass jedoch zwei weitere uninteressante Soave mit drei Gläsern hochgejubelt werden, ist befremdlich. Dasselbe gilt für viele andere Gebiete – weniger wäre mehr.

Das Piemont war nicht nur zahlreich, sondern auch stark vertreten, allen voran Bruno Giacosas 96er Barolo Falletto. Tief erdverbunden und doch höchst kultiviert war hier ohne eine Spur von Massivität Tradition und lebendige Gegenwart des Piemont eingefangen.

In der Toskana zeigte sich leider ein Trend zu massiven, wenig terroirgeprägten Weinen. Die großen, gern als „Supertuscans“ apostrophierten Stars Sassicaia, Ornellaia, Banfi oder Ricasoli konnten nicht wirklich überzeugen. Glücklicherweise gibt es jedoch Betriebe wie die bekannten Chianti-Weingüter Fattoria di Felsina oder Isole e Olena. Felsinas 97er Fontalloro demonstrierte wie gewohnt Kraft, Eleganz und Lagerfähigkeit. Isole e Olena hat mit dem 98er Cepparello auf nahezu magische, eigenständige Weise die weite, rauhe Toskana eingefangen.

Die drei Gläser für den sizilianischen 98er Don Antonio von Morgante trafen ebenfalls ins Schwarze. Er überzeugte mit beinahe einschüchternder Kraft. Dagegen war die Höchstbewertung für die allenfalls gefälligen sizilianischen Planeta-Weine nicht nachvollziehbar. Nach so viel Rotwein stillten Pinocchio und Co. ihren Durst mit kühl-kräutrigem, strahlendem 99er Sauvignon St. Valentin von den Südtiroler Genossen St. Michael-Eppan. Sie hatten es nach der harten Arbeit verdient. Ihr Fazit: Der „Gambero Rosso“ muss strenger urteilen, wenn er glaubwürdig sein will.

UHZ