die stimme der kritik
: Betr.: Beleidigte Leberwürste in Zonen national bereinigter Blutwürste

Wer ist schon stolz auf Andi Möller?

Neulich war das Wetter wieder mal schlecht und ich dachte an Laurenz Meyer. Zum ersten Mal war mir Laurenz Meyer im letzten Herbst begegnet; damals, als im Zuge von Christoph Daum sich noch alle Gedanken über die stille Leitkulturfähigkeit von Kokain gemacht hatten und der Mannheimer Gottesfreund und Jesusrapper Naidoo dazu verdonnert worden war, mehrere Anti-Drogen-Konzerte zu geben, weil man bei ihm ein bisschen Marihuana gefunden hatte. Das sollten die mal mit Juhnke machen, ihn also dazu verurteilen, Anti-Alk-Konzerte zu geben. Da wär das Meckern und Zetern groß in der deutschen Leitkulturlandschaft!

Wie auch immer. Im Herbst hatte es also ein lustiges Farbfoto von Laurenz Mayer in der Berliner BZ. gegeben. Auf dem Foto hatte er das eine Ende einer Wurst in seinem Mund – an dessen anderem Ende vermutlich eine Parteikollegin knabberte. Das sah total pervers aus. Aber so ist die deutsche Leitkultur eben. „Jedes Volk hat eine Leitkultur. Auch wir!“, wie es so treffend auf den Baden-Württemberger Wahlplakaten der so genannten Republikaner heißt.

Wie auch immer. Später versuchte ich mir eine sozusagen unverfängliche Situation vorzustellen, in der jemand sagt: „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein.“ Zum Beispiel in der Bundesbahn. Weil es da ja auch bei Fahrten mit dem Guten-Abend-Ticket häufig zu Alkoholengpässen kommt. Ich stellte mir also vor, ich würde mich zufällig mit jemandem nett unterhalten, und der würde nun plötzlich sagen, er sei stolz, ein Deutscher zu sein. Da würde man doch denken, der ist völlig gaga, oder sich besorgt fragen, ob man den nicht versehentlich irgendwie gekränkt hat.

Wie auch immer. Diese ganzen Patrioten, die sich da nun im Bundestag hinstellen und sagen, sie seien so superstolz auf ihre deutsche Blutwurst, kommen einem ja auch so vor wie beleidigte Leberwürste. Oder schlimmer noch: wie Leute, die die beleidigte Leberwurst mimen, um damit in den Zonen national bereinigter Blutwürste zu punkten. Andererseits, denke ich mir dann, sind die ein bisschen auch so wie Andi Möller früher – und ich meine, wer so gut bezahlt wird von uns, sollte doch auch ein bisschen was einstecken können und nicht plötzlich so memmenhaft und ganz undeutsch losflennen dürfen.

DETLEF KUHLBRODT