Der Stimmungstest

George Bush lässt Chinas Vizepremier seine neuen Prioritäten spüren, doch geben sich beide freundlich

PEKING taz ■ In sorgsam arrangierter Reihenfolge, die nur Japans innenpolitische Turbulenzen durcheinander brachten, hat US-Präsident George W. Bush in diesem Monat zunächst Südkoreas Präsidenten Kim Dae-jung empfangen, dann Japans Premier Yoshiro Mori und schließlich am Donnerstag Chinas Vizepremier Qian Qichen. Eigentlich hätte Mori als erster an die Reihe kommen sollen, um Japans Rolle als Chefalliierter der USA in Asien zu unterstreichen. Doch vor allem wollte die neue US-Regierung die Chinesen bis zum Ende warten lassen. Damit alle Welt weiß, dass endlich Schluss ist mit der China-Vorliebe eines Bill Clinton. Unter ihm sollte China noch Washingtons „strategischer Partner“ sein. Jetzt wird das Reich der Mitte entsprechend Bushs Wahlversprechen als „strategischer Wettbewerber“ eingestuft.

Allerdings konnte weder die neue Rhetorik noch die Reihenfolge der Gespräche etwas daran ändern, dass der Gast aus Peking jetzt in Washington viel mehr Aufmerksamkeit erregte als Kim oder Mori. Qian ist auch nicht irgendwer: Als langjähriger Außenminister trug er zur Rückkehr seines Landes auf die internationale Bühne nach dem Tiananmen-Massaker bei und orchestrierte die reibungslose Rückgabe Hongkongs an China. Bis heute ist er der einflussreichste Außenpolitiker der Volksrepublik, weshalb sein ungewöhnlicher Besuch bei Bush auch auf den unsicheren Stand der bilateralen Beziehungen hindeutete.

Aus den Worten, die zwischen beiden gewechselt wurden, ließ sich nur so viel entnehmen: Alle Optionen sind offen – vom Kalten Krieg und einem Einfrieren der Beziehungen bis hin zum raschen Ausbau eines noch ständig wachsenden Netzes gesellschaftlicher Kontakte. Ersteres droht, wenn Bush die Rüstungslieferungen an Taiwan erhöht und vor allem Zerstörer liefert mit einem Radar vom Typ Aegis, die sich mit Raketenabwehrsystemen bestücken lassen. Für diesen Fall sieht Qian, dass der „militärische Ansatz“ das Machtverhältnis dominieren werde.

Allerdings scheint Bush Pekings Bedenken zumindest teilweise Rechnung zu tragen. Zwar versprach er, den „Verpflichtungen gegenüber Taiwan“ nachzukommen, was Clinton zuvor so lautstark nicht tat. Aber es gibt genügend Hinweise, dass Bush die Aegis-Zerstörer in nächster Zeit nicht an Taiwan liefern wird. Womit sich Qians Reise aus chinesischer Sicht bereits als Erfolg verbuchen ließe.

Größeren Streit als Clinton sucht Bush in Religionsfragen, in deren Kontext der US-Präsident die alte Menschenrechtsdebatte mit China stellt. Zugleich aber betonte Bush seinen Willen, China „repektvoll“ zu behandeln. „Nichts, was wir tun, ist eine Bedrohung für China“, versicherte er. Qian sprach prompt eine Einladung an Bush zum Staatsbesuch im Oktober aus. Dass der Präsident sie ohne Zögern annahm, zumal er dann aus Anlass eines multilateralen Gipfels ohnehin China besucht, war das deutlichste Zeichen für weiterhin gute Beziehungen zwischen beiden Ländern. GEORG BLUME