Ohne kämpferische Basis

In Frankreich interessiert sich kaum jemand für die Atomtransporte nach Deutschland. Alle wollen nur, dass der strahlende Müll zurück in das Herkunftsland verfrachtet wird. Komplikationen sind höchstens auf juristischer Ebene zu erwarten

von DOROTHEA HAHN

Die erste Etappe der 1.500 Kilometer langen Reise aus dem Kap La Hague in das wendländische Gorleben haben die sechs Castoren, die mit Glaskokillen voll atomarem Abfall beladen sind, bereits hinter sich: Sattelschlepper transportierten sie 40 Kilometer weit über normannische Landstraßen von der Wiederaufarbeitungsanlage in den Verladebahnhof der französischen Atomfirma Cogema in Valogne.

Vor einer Gruppe von deutschen JournalistInnen wurden die Castoren dort am Donnerstag ein letztes Mal von außen abgewischt. Dann luden AtomarbeiterInnen sie auf die Spezialwagons, in denen sie ab Montag früh gen Osten rollen sollen. „Darf nur mit verriegeltem Dach in Züge eingekoppelt werden“, steht auf Deutsch, Italienisch und Französisch darauf.

Es ist der erste offizielle deutsch-französische Atomtransport seit drei Jahren. Beschlossen wurde er auf einem informellen Treffen der Staatschefs Lionel Jospin und Gerhard Schröder und des deutschen Außenministers Joseph Fischer.

In der französischen Öffentlichkeit erregt der Atommülltransport bislang wenig Aufmerksamkeit. Lediglich ein paar Dutzend hauptamtliche AktivistInnen von Greenpeace und einige örtliche AtomkraftgegnerInnen demonstrierten vor Wochen im normannischen Valogne sowie auf der Europabrücke bei Straßburg. Es gibt keine Plakate, die zu Protesten längs der Bahnroute auffordern. Und die Medien erwähnen lediglich die in Deutschland geplanten Demonstrationen. Auch bei dem am Sonntag zu Ende gegangenen Kommunalwahlkampf spielte der Atomtransport keine Rolle.

Tatsächlich herrscht in Frankreich parteiübergreifender Konsens, dass der Rücktransport von wiederaufbereitetem Atommüll in die Herkunftsländer sichergestellt werden muss. Politisch umstritten ist lediglich, ob Frankreich noch jahrelang abgebrannte Brennstäbe aus deutschen AKWs entgegennehmen soll, wie es die Verträge vorsehen. Doch auch dagegen opponieren lediglich einige SprecherInnen der französischen Grünen, die bis heute nur 6.000 Mitglieder und keine kämpferische Basis haben.

Komplikationen sind eher auf juristischer Ebene zu erwarten. Mitte März setzte ein Richter im normannischen Cherbourg ein erstaunliches antinukleares Zeichen und untersagte die Entladung von fünf australischen Castorbehältern von Bord des Transportschiffs „Le Bouguennais“. Begründung: Die Atomgesellschaft Cogema habe zwar eine Genehmigung zum Import des Atommülls, jedoch keine zu seiner Wiederaufbereitung. Die Cogema, die zuvor nie einen Prozess verloren hatte, argumentierte vergeblich, ihr sei diese Genehmigung „in Aussicht gestellt worden“. Am Montag findet die Berufungsverhandlung statt.

Parallel dazu wollen UmweltschützerInnen jetzt auch ein Verfahren wegen deutschen Atommülls gegen die Cogema anstrengen: Dabei geht es nicht um Brennstäbe aus AKWs, sondern um Brennelemente aus der hessischen Mischoxid-(Mox-)Fabrik Alkem bei Hanau, die der damalige hessische Umweltminister Fischer 1996 stillgelegt hatte. 1999 und 2000 wurden mehrere dieser Elemente nach Frankreich transportiert. „Illegal“, wie die KlägerInnen meinen.

Zum Prozessauftakt am Mittwoch demonstrierten Gewerkschaften sowie rechte und linke Parteien vor dem Gericht gegen die Gefährdung ihrer Arbeitplätze. Die AtomkraftgegnerInnen ließen sich sicherheitshalber in einem Polizeiwagen anfahren.