Nachhilfe für Willi Lemke & Co.

■ Das Bremer Verwaltungsgericht erteilt der Bildungsbehörde eine Lektion: Sie darf nicht länger auf Kosten von schwerbehinderten LehrerInnen sparen. Es gilt der Gleichheitsgrundsatz

Das Bremer Verwaltungsgericht hat der Bildungsbehörde jetzt eine Lektion erteilt. Danach darf der Bildungssenator schwerbehinderten LehrerInnen die so genannte Altersermäßigung nicht länger vorenthalten. Diese Ermäßigung von einer Wochenstunde weniger Unterricht ab dem 55-sten Lebensjahr verweigerte die Behörde bislang mit dem Argument, behinderte LehrerInnen bekämen ja bereits Erschwernisausgleich wegen ihrer Behinderung. Altersermäßigung und Erschwernisausgleich aber schlössen sich aus. „Wir werden auch älter. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun“, hatten die Behinderten dagegen gehalten – und jetzt Recht bekommen. Die bisherige Praxis widerspreche dem in der Verfassung garantierten Gleichheitsgrundsatz, so das Bremer Verwaltungsgericht.

37 schwerbehinderte PädagogInnen, die bislang Opfer amtlicher Ungleichbehandlung waren, müssen damit künftig besser gestellt werden. Die wöchentlich rund 44 Unterrichtsstunden, die sie – rechtswidrig – leisteten, müssen nun durch anderes Lehrpersonal erteilt werden. Rechnerisch bedeute dies die Neubesetzung von 1,7 Lehrerstellen zusätzlich, so der Sprecher der Bildungsbehörde, Rainer Gausepohl. Allerdings habe der Bildungssenator noch nicht abschließend entschieden, ob er das Urteil akzeptieren oder in die nächste Instanz ziehen will. Mit welcher Begründung dies denkbar sei, darüber konnte Gausepohl keine Auskunft geben.

Die Schwerbehindertenvertretung-Schule begrüßte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts unterdessen. In einem Schreiben an Bildungssenator Willi Lemke (SPD) bat Vertrauensmann Hermann Tietke den Senator, „nunmehr umgehend ein Zeichen zu setzen und allen schwerbehinderten Lehrkräften die Altersermäßigung zu gewähren“.

Bereits seit Mitte letzten Jahres gärt der Konflikt zwischen den Interessen der Behörde und denen der schwerbehinderten LehrerInnen (taz berichtete), die sich nun in ihrer Auffassung bestätigt sehen. Zuletzt hatten die Parteien im Januar mit Bildungssenator Lemke darüber beraten, wie die Kontroverse einvernehmlich zu lösen sei. Doch geschehen war seither nichts.

Erst die nun erfolgreiche Klage eines mittlerweile fast 57-jährigen Studienrats am Alten Gymnasium dürfte jetzt Bewegung in die Sache bringen. Seit seinem 55. Geburtstag hatte der zu 60 Prozent schwerbehinderte Pädagoge auf die strittige Altersermäßigung von einer Wochenstunde zusätzlich zur Behindertenermäßigung gepocht. Inzwischen ist er bald schon reif für die nächste Rate der Altersermäßigung ab dem 58. Lebensjahr, die in einer weiteren Stunde weniger Unterricht besteht. Der Grund: Die Bildungsbehörde Bremens – wie auch die aller anderen Bundesländer – geht davon aus, dass bei PädagogInnen ab dem 55. Lebensjahr eine „verringerte Leistungsfähigkeit“ vorliege.

Hier hatte der Anwalt des Studienrats, Axel Adamietz, in seiner Argumentation angesetzt: Ohne Altersermäßigung werde sein 55-jähriger schwerbehinderter Mandant wie ein 30-jähriger schwerbehinderter Lehrer behandelt – und also auch im Vergleich zu den nichtbehinderten KollegInnen benachteiligt. Die Bildungsbehörde hatte dagegen gehalten, dass ein Diskriminierungsverbot zwar Schutz vor Benachteiligungen bieten solle, dass „Bevorzugungen verfassungsrechtlich aber nicht geboten“ seien. Altersermäßigung plus Behindertennachlass schlösse ein Verwaltungserlass von 1994 aus.

Dafür gebe es keinen sachlichen Grund, urteilte dagegen das Verwaltungsgericht. Ein sachlicher Grund sei auch nicht, dass die Behörde Kosten sparen wolle. Damit berücksichtigte das Gericht auch den Vorwurf des Lehrers sowie der Schwerbehindertenvertretung-Schule, die sich auch im Vergleich zu anderen Bundesländern deutlich benachteiligt sehen. burro