Der träumende Tasmane

Tasmania Berlin, das schlechteste Bundesligateam aller Zeiten, wagt einen Neuanfang. Der Verein mit dem Verlierer-Stigma soll nun das Image der Gropiusstadt aufmöbeln – und aufsteigen

„Ohne unsere grausame Bilanz in der Bundesliga würde niemand mehr von Tasmania sprechen.“

von JÜRGEN SCHULZ

Neuerdings versteigen sich die Landesliga-Fußballer vom SV Tasmania ins Unwirkliche, wenn sie an die Zukunft denken. „Das reicht aber nicht für die Zweite Liga“, kommentieren die Feierabend-Kicker im Sportpark Oderstraße jeden Schuss übers Tor.

Den Sprung aus der 6. Spielklasse in die Zweite Bundesliga soll in Neukölln ein neues Sponsoren-Duo ermöglichen, das in den Traditionsverein investiert. Pro Saison sagten zwei Wohnungsbaugesellschaften 100.000 Mark zu. Viel Geld für einen Vertreter der Landesliga, der üblicherweise in leeren Kassen wühlt. Auch die gute Nachwuchsarbeit von „Tas“ konnte daran bislang nichts ändern.

So nahm es bei Tasmania wohl niemand übel, dass der Clubvorsitzende Detlef Wilde für den Mammon ein Stück Vereinsgeschichte opferte. Der „SV Tasmania Neukölln 1973“ taufte sich nach Vertragsunterzeichnung mit der Fördergemeinschaft flugs in „SV Tasmania-Gropiusstadt“ um. Denn in dem Kooperationsabkommen verpflichten sich die Fußballer, „durch sportliche Aktivitäten, vor allem mit Jugendlichen, eine positive Darstellung und Werbung für den Neuköllner Stadtteil Gropiusstadt zu erreichen“.

In der Sprache des Stadtteilmanagers Horst Riese klingt es fast unmenschlich, was von den Spielern erwartet wird: „Wir wollen, dass die Tasmanen die Helden der Gropiusstadt werden.“

Detlef Wilde verfällt nicht in den Superlativ. Für ihn zählt die Perspektive für seine Blau-Weißen, die im Anschluss an einen kurzen Höhenflug Mitte der 90er-Jahre im Niemandsland der Landesliga landeten. „Wir versuchen, den Herrenbereich wieder hoch zu bringen“, verspricht Wilde den Fans des in seiner Geschichte arg gebeutelten Clubs. Auf den neuen Trikots der Spieler steht: „Gropiusstadt ist top“.

Tasmania war mal ein respektabler Verein im alten West-Berlin. Man sprach zeitweise sogar von einer Tas-Mania, die 1965 westlich der Mauer ausbrach, als die Neuköllner unter ihrem damaligen Namen SC Tasmania Berlin 1900 in die Bundesliga aufstiegen.

Das erstklassige Abenteuer währte allerdings nur kurz. Die Mannschaft, die nach dem Zwangsabstieg von Hertha BSC den Berliner Stammplatz in der Eliteklasse einnahm, beendete das Spieljahr als Absteiger mit einem bis heute unerreichten Desaster: nur acht Pluspunkte holten sie in 34 Partien. Das Torverhältnis schrieb Geschichte: 15 Treffer gelangen den Tasmanen. 108 Mal landete der Ball im eigenen Netz. 1972 ging Tasmania 1900 Pleite und wagte als „Tasmania Neukölln 1973“ einen Neuanfang in der Kreisliga.

Doch auch das Tas-Trauma überlebte. „Wir gelten bis heute als die Minustruppe der Bundesliga“, weiß der 68-jährige Joachim Posinski, damals einer von drei verschlissenen Torstehern. Dennoch hebt Posinski die positive Seite der Katastrophe hervor: „Ohne diese grausame Bilanz würde doch niemand mehr von Tasmania sprechen.“

Die Sponsoren wollen das Loser-Stigma lieber heute als morgen loswerden. Obwohl niemand mehr etwas auf ein Comeback des Nachfolgevereins jener Ur-Tasmanen von 1900 gesetzt hätte, planen die beiden Wohnungsbau-Unternehmen den „Durchmarsch“, wie sie sagen. Jahr für Jahr sollen sie von einer Klasse in die nächsthöhere aufsteigen.

Das Ziel des Höhenflugs ist schon definiert. „Die Fußballer sollen auch mal dort spielen, wo die Handballerinnen des Vereins heute schon stehen.“ Und da Tasmanias Handball-Frauen in der Zweiten Bundesliga spielen, kann sich der Chef der Fußballer, Detlef Wilde, ausmalen, was von ihm und seinen Untergebenen bis zum Ende des bis 2005 befristeten Sponsorenvertrags erwartet wird.

„Jeder definiert seine Ziele, wie er will. Das ist doch normal“, sagt Wilde. Solange der Chef sachlich bleibt, sind die Kicker beim Training vorläufig die einzigen Tasmanen, die das Wort „Zweite Liga“ in den Mund nehmen. Noch.