Nur der Salto ist neu

Vor dem Match gegen Griechenland am Mittwoch lag ein Vorbereitungsspiel um die WM-Teilnahme. Willensmonstrum Deutschland gewinnt in beinhartem Glauben an die Tradition 2:1 gegen Albanien

aus Leverkusen BERND MÜLLENDER

Sicher ist: Es war wie immer gegen Albanien. Die Erwartungen: hoch. Die Bemühungen: lange verkrampft. Die Einstellung: anders als vorher versichert. Der Spielverlauf: glücklich. Und das Ergebnis? 2:1. Wie fast immer gegen Albanien. Und wie so oft in den Schlussminuten.

Lange war es spannend, und dann blieb doch alles beim Alten. Selten war nach dem siebten Sieg in Folge einer deutschen Mannschaft gegen Albanien mit genau einem Tor Unterschied das Historikerdiktum so richtig wie am Samstagabend: „Die Geschichte wiederholt sich“, postulierte Albaniens Trainer Medin Zhega in der Leverkusener BayArena. „Ein Fehler in der Abwehr, und der Sieg lächelte der deutschen Mannschaft.“

Stopp. Das war zwar ein lobenswert wohlfeiler Ausflug in die Poesie, aber nur bedingt richtig. Der Sieg lächelt in solchen Spielen immer den Deutschen, und in Albaniens Abwehr gab es, vor allem zum Ende des Spiels, weit mehr als nur einen Fehler. Nach vorne hatten sie, insbesondere über den bis zu seiner Erschöpfung quicken und frechen Mannheimer Fatmir Vata, lange Zeit einiges geboten und hinten mit dem überragenden Cottbuser Rudi Vata modern auf Linie gespielt und frech gepresst. Aber nur, bis die Konzentration im Dauerregen der letzten zehn Minuten wegschwamm. Und bis die sichtbare Angst kam, es könnte endlich mal klappen.

Auf so etwas wartet die deutsche Nationalelf der Willensmonster. Plötzlich gab es Riesenchancen. Und dann traf Klose. Der 22-jährige Debütant. Zwei Minuten vor dem Ende, nach 18 Minuten als Nationalspieler. Dass dem Siegtor womöglich eine Abseitsstellung vorausging – egal. Same procedure – ob es im albanischen Fernsehen auch Dinner for one gibt? Neu war nur, dass Kaiserslauterns Klose nach dem Abstaubertor per Kopf einen formidablen Jubel-Salto schlug. So was hat Bierhoff nie gezeigt. Deutsche Leichtigkeit für eine schöne Sekunde.

Es war eine merkwürdig verquere Veranstaltung. Vorher waren überall die Mahner: Kein leichter Gegner. Die besten Albaner, die es je gab. Geglaubt hat es niemand. Die Zuschauer nicht, die spürbar zum Feiern gekommen waren und nicht in einem engen Spiel den Sieg erzittern wollten. Kaum ein Wunder, dass die erstaunlich zahlreichen albanischen Fans (etwa 3.000) zeitweise die Phonhoheit im Stadion hatten. Rudi Völler: „Es war ein halbes Auswärtsspiel.“

Auch der DFB-Tross hatte nicht an die eigenen Warnungen geglaubt: Noch in der Pause meinte U21-Trainer Hannes Löhr: „Uns fehlt doch nur ein Tor.“ Das bekamen sie, als Albaniens Torwart einen Fernschuss von Sebastian Deisler („haltbar“) ins eigene Tor boxte. Sicherheit gab das nicht. Etliche Konterchancen wurden lässig verdaddelt, bis Bieder Kola das Skipetarenland mit dem Ausgleich in Verzückung versetzte.

Auch nachher klang es noch nach Arroganz. Jens Nowotny, der vermeintliche Leisesprecher: „Albanien hat uns durch unsere Fehler unter Druck gesetzt.“ Teamchef Rudi Völler machte die Presse als Drahtzieher aller Überschätzung aus und tadelte: „Gut spielen und hoch gewinnen? Meine Herren, die Zeiten sind vorbei.“ Dabei hatte der erneut bemitleidenswert schwache Kapitän Oliver Bierhoff offenbar genau das im Hinterkopf: Es sei eben „schwer, diese Mannschaft auseinander zu nehmen“.

Nicht sicher ist, ob Clirim Bashi der erodierenden Albaner-Abwehr am Ende noch hätte Stabilität verleihen können. Sicher ist, dass es kein Gespräch mehr gab mit dem angeblich wegen nicht gezahlter Antrittsgelder von 5.000 US-Dollar ausgebooteten Profi von Alemannia Aachen (siehe taz vom 23.3.). Sicher ist auch, dass es eine Mailbox-Nachricht auf Bashis Handy über den Erpressungsversuch gibt, mit belgischer Nummer. Bashi wollte am Freitag im DSF Rede und Antwort stehen, wurde von seinem Club („kein Zweifel, dass Clirim die Wahrheit sagt“) aber vom Training freigestellt und mit Redeverbot belegt. „Stubenarrest und Maulkorb“ nannte das ein Aachener Kenner der Szene.

Sicher ist auch: Noch vor dem nächsten WM-Qualifikationsspiel am Mittwoch in Griechenland (ohne den gelbgesperrten Scholl) wird wieder heftig über Oliver Bierhoff diskutiert werden. Was tun mit der stürmenden Altlast? Völler sagt: „Das Problem ist das verfluchte Kapitänsamt.“ Es stamme noch aus Vogts-Zeiten, „vor Jahren“, als Oliver noch „viele Tore“ erzielte. Ob er Bierhoff nicht erlösen wolle durch einen anderen Kapitän? Der Frage wich Völler eleganter aus als Bierhoff dem Ball. „Oliver hat eine kleine Durststrecke.“

Bierhoff selbst sagt, nach der Auswechslung, über die er „sauer“ war, sei da „eine Leere“ gewesen. Oder eine Lehre? „Nein, ich hab eine schlechte Phase. Fahnenflucht mach ich nicht.“

Deutschland: Kahn - Wörns, Nowotny - Jeremies - Deisler, Ramelow, Hamann (46. Rehmer), Bode - Neuville (73. Klose), Bierhoff (46. Jancker), SchollAlbanien: Strakosha - Cipi, Rudi Vata, Xhumba - Fatmir Vata (79. Skela), Hasi (85. Fakaj), Lala, Murati - Kola - Bushaj (63. Rraklli), TareZuschauer: 22.500; Tore: 1:0 Deisler (50.), 1:1 Kola (66.), 2:1 Klose (88.)