Erst Castorkampf – dann Einschulung

■ Im Kindercamp in Hitzacker protestieren auch Vierjährige gegen Atomtransporte

Laurin kann nichts passieren: Er hat ja sein Ruderboot unten am See. „Wenn die Polizei ins Lager kommt, dann hauen wir damit ab“, sagt der Zehnjährige. Die Paddel sind selbstgebastelt, zwei Stöcke, auf die Holzstücke genagelt wurden. So ganz sicher ist er sich aber wohl doch nicht: „Vielleicht würden die uns auch einholen, die haben bestimmt Schnellboote.“

Laurin ist mit seiner Mutter und seinen Brüdern Silvan (4) und Djiby (2) seit Freitag im Kindercamp Hitzacker, um gegen den Castor zu demonstrieren. Hier gibt es einen Spielplatz, Indianertipis und etwas abseits ein Ruhezelt. Da war Laurin aber noch nie drin. Auf seinem Gesicht sind die Reste eines aufgemalten schwarzen X zu erkennen. Wenn die Erwachsenen zweimal täglich das Plenum abhalten, langweilt er sich ein bisschen, denn „alleine kann man nicht rausrudern“.

Er und seine Familie kommen aus Bleckede (Kreis Lüneburg) und wohnen in Hitzacker in einem Tipi zusammen mit drei anderen Frauen und vier Kindern. Der Boden ist mit Stroh ausgelegt, in der Zeltmitte wurde eine Feuerstelle ausgegraben gegen die Kälte. Laurins Mutter, Katharina, hat ihren Sohn von der Schule befreien lassen, weil es „für ihn eine wertvollle Erfahrung ist, hier dabei zu sein“. Der Fünftklässler nickt eifrig: „Die Strahlen vom Castor sind nicht gut.“ Katharina meint: „Manche Kinder würden das gar nicht aushalten in einem Camp.“ Es klingt, als sei sie stolz darauf, dass es bei Laurin nicht so ist. Er behauptet, die Kälte könne ihm nichts anhaben: „Ich habe nicht gefroren gestern Nacht, mein Schlafsack hält bis -21 Grad.“ Jetzt wartet er darauf, dass es losgeht: Fußballspielen auf den Gleisen heißt die Aktion. Katharina packt die zwei kleinsten in einen Anhänger. Zur Demonstrieren mit kleinen Kindern.

Während Katharina die beiden Jüngsten hinter sich her zieht, sitzt Laurin zwischen den anderen Kindern auf dem Traktoranhänger. „Strahlenfreie Zukunftsträume“ steht hinten drauf. Der Anhänger ist mit Luftballons geschmückt. Die Polizei, die sich vor dem Camp postiert hat, lässt den Zug passieren. „Hier können sie ihre Toleranz beweisen, weil sie wissen, dass von uns keine Gefahr ausgeht“, meint Katharina. Als die Demonstration am Bahnübergang in Hitzacker ankommt, versuchen die Polizisten zwar kurz zu verhindern, dass sich Kinder und Eltern es auf den Gleisen bequem machen. Doch Sonne besänftigt auch die Beamten. Laurin hat sich Stelzen angezogen. Er sagt über die PolizistInnen: „Die sollen doch für das Land kämpfen, aber wenn sie den Castor durchbringen, dann kämpfen sie doch gegen das Land.“ Michaela Soyer