Pikachu gefatwat

Der Mufti von Saudi-Arabien verbietet muslimischen Kindern alle Arten von Pokémon-Spielen und -Zubehör

AMMAN taz ■ Die höchste religiöse Autorität in Saudi-Arabien, Mufti Sheikh Abdul Aziz bin Abdullah al-Sheikh, hat einen weitreichenden Bann verhängt: Fortan sind in dem konservativen islamischen Land alle Arten von Pokémon-Spielen und -Zubehör verboten. Der Grund für dieses harte religiöse Urteil: Pokémon sei ein Glücksspiel und wahrscheinlich jüdisch.

Jüdisch oder nicht – ein Japaner namens Satoshi Tajiri kreierte 1996 das Pokémon-Videospiel. In ihm setzte Tajiri um, dass er in seiner Kindheit leidenschaftlich Insekten gesammelt und im Fernsehen am liebsten Monsterfilme geschaut hatte. Die 150 Figuren, die er für das Videospiel schuf, waren Kreaturen, denen er eine eigene Persönlichkeit einhauchte. Wahrscheinlich machten die Charaktere von Pikachu, Charmander, Mew, Psyduck, Squirtle, Bisasam, Eevee, Glurak, oder wie sie auch alle heißen mögen, das Pokémon-Spiel erst erfolgreich. So entstanden im Laufe der Jahre noch mehr Pokémon-Artikel: Pokémon-Filme, Pokémon-Fernsehserien, Pokémon-Spielzeug, Pokémon-Comics, Pokémon-und-was-sonst-noch-alles; Artikel jedenfalls, die sich weltweit gut verkauften.

Nicht zu vergessen die Pokémon-Sammel- und -Tauschkarten, die der saudische Mufti nun für besonders verurteilungswürdig erachtete und die ihn zu dem Spruch hinrissen, alle Muslime mögen sich vor Pokémon-Artikeln hüten und ihre Kinder davor schützen, mit ihnen zu spielen, damit sie keine religiösen Schäden davontrügen. Denn: jene Pokemon-Karten, so der Mufti in seiner bahnbrechenden Fatwa, verführten dazu, Geld ins Spiel zu bringen, wenn man anders eine fehlende und deshalb umso stärker begehrte Karte nicht bekommen könne. Zudem habe er auf manchen Karten unterschiedlichst versteckte Kreuze entdeckt, ebenso wie sechszackige Sterne, mithin Symbole sowohl des jüdischen Zionismus als auch des Staates Israel. Ganz allgemein seien die Pokémon-Figuren – egal ob auf Sammelkarten oder im Gameboy – verdammungswürdig, da ihre Charaktere offenbar voll dem Evolutionskonzept Charles Darwins entsprächen – und das lehnt der Islam strikt ab.

Wenn das so weitergeht, so fragen sich Beobachter der saudischen Nachwuchs-Szene, nachdem unlängst auch schon Barbie-Puppen verboten worden waren, womit sollen die Kinder der Ölprinzen dann künftig noch spielen? Oder was? Vielleicht Reise nach Jerusalem? Aber die große Frage ist doch: Warum gibt es eigentlich in Deutschland keinen Mufti? BJÖRN BLASCHKE