Wiens grüner Gewinner

Der grüne Wiener Landtags-Spitzenkandidat Christoph Chorherr muss trotz Wahlsiegs enttäuscht sein

von RALF LEONHARD

Glück bedeute für ihn, „mit meinem Gleitschirm vom Wildkogel hinunterzuschweben“, versicherte Christoph Chorherr der Kronen Zeitung. Dem grünen Wiener Klubobmann und Spitzenkandidaten bei der Landtags- und Gemeinderatswahl brachte der Urnengang vom Sonntag kein ungetrübtes Glück. Er hatte sich ein so gutes Ergebnis gewünscht, „dass die grüne Vision erstmals auf ihre Realitätstüchtigkeit getestet werden kann“.

Zwar kam es mit 12,45 Prozent zum erhofften zweistelligen Ergebnis. Doch mit seiner überraschenden absoluten Mandatsmehrheit ist der sozialdemokratische Bürgermeister Michael Häupl auf keine grünen Partner angewiesen. Viele Grüne, die sich in der Opposition wohler fühlen, waren erleichtert. Doch Chorherr hatte sich so für eine rot-grüne Koalition in der Stadtregierung stark gemacht, dass er enttäuscht sein muss.

Wenn man in einem bürgerlichen Haus als Sohn eines konservativen Zeitungsmannes zur Welt kommt, ist man wohl zum Rebellen prädestiniert. Sein Vater hatte als Chefredakteur der Presse, der alten Dame in Österreichs Zeitungslandschaft, jahrzehntelang Meinungen im Sinne gutbürgerlicher Tradition geprägt. Sohn Christoph, Jahrgang 1960, konnte seinen Ödipuskomplex bei den Grünen abarbeiten. Politisiert wurde er als Gymnasiast bei der Volksabstimmung über das Atomkraftwerk Zwentendorf. Der knappe Sieg über die Atomlobby war die Geburtsstunde der österreichischen Grünen.

Während seines Volkswirtschaftsstudiums in Wien beschäftigte sich Chorherr dann schwerpunktmäßig mit Alternativenergie. Als nicht amtsführender Stadtrat in Wien konnte er Anfang der 90er-Jahre eine autofreie Siedlung durchsetzen. Auch die Einführung von Nachtbussen und die städtische Förderung von Solaranlagen bei Einfamilienhäusern gingen auf sein Konto.

Innerparteilich war er aber nie unumstritten. 1996 stürzten die Wiener Grünen unter seiner Führung von fast 10 Prozent auf knapp 8 Prozent ab. Als Bundesparteisprecher hielt er sich keine zwei Jahre. Seit der Wirtschaftsprofessor Alexander Van der Bellen 1997 das Kommando übernahm, wird interner Zwist nicht mehr in der Öffentlichkeit ausgetragen. Bei Wahlen, vor allem aber in Umfragen, geht es seitdem bergauf. Auch bei der Kandidatenkür im Herbst konnte sich Chorherr nur knapp gegen Susanne Jerusalem durchsetzen, die einer rot-grünen Koalition immer skeptischer gegenüberstand.