Nach Akteneinsicht Rücksprache

Vor dem Berliner Landgericht setzte sich der Grüne Hans-Christian Ströbele gegen den Springer-Verlag durch. Dieser hätte nicht ohne weiteres aus seinen Stasi-Akten zitieren dürfen – auch wenn es sich um eine Person der Zeitgeschichte handelt

von NICOLE MASCHLER

Die Richtlinien, die die Bundesbeauftragte Marianne Birthler Mitte des Monats vorlegte, sollten den Streit um die Stasi-Protokolle entschärfen. Die Weitergabe von Privatmaterial an Historiker und Journalisten wollte sie zum Schutz der Betroffenen einschränken: Diese sollten künftig benachrichtigt werden, wenn Dritte Akteneinsicht erhalten.

Dem Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele ging das nicht weit genug. Denn die entscheidende Frage ließ Birthler offen: Was sind private Informationen? Nun hat der Grüne neue Argumente. Denn das Berliner Landgericht gab ihm gestern im Verfahren gegen den Springer-Verlag Recht: Aus der Opferakte dürfe nicht ohne weiteres zitiert werden – nur wenn der Betroffene wie im Fall Ströbele nicht Stellung nehmen könne.

Unter der Überschrift „Ist Ströbele der Nächste?“ hatte die Welt am Sonntag im Februar aus der Stasi-Akte des Grünen-Politikers zitiert. Ströbele habe sich bei der Verteidigung der RAF-Terroristen durch das DDR-Regime unterstützen lassen. Um die These zu stützen, so Ströbeles Vorwurf, hatte die Zeitung aus „privaten Korrespondenzen“ zitiert. In der Silvesternacht 1973/74 wollte Ströbele, damals RAF-Verteidiger, nach einer Party in Ostberlin gegen 2.30 Uhr den Grenzübergang Invalidenstraße passieren. Eigentlich hätte er jedoch bereits vor Mitternacht ausreisen müssen. Der DDR-Grenzer fertigte ein Protokoll des Wortwechsels – aus dem die Welt am Sonntag zitierte. Ströbele habe, so der Grenzoffizier, die Meinung geäußert, „dass jede bürgerliche Regierung, auch die Bundesrepbulik, nur durch eine Revolution beseitigt werden kann“. Dabei sei jedes Mittel recht – auch Entführungen und Banküberfälle. Das Zwischenspiel am Grenzbaum habe Ströbele für die Stasi interessant gemacht. Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, so die Zeitung. Als der RAF-Anwalt während des Stammheim-Prozesses den Staatsanwalt mit dem NS-Volksgerichtshofspräsidenten Roland Freisler verglich und sich dafür eine Beleidigungsklage einfing, suchte er Hilfe beim Ostberliner Anwalt Friedrich Karl Kaul, der ihn verteidigen sollte. Um seine These von der Stasi-Verstrickung Ströbeles zu untermauern, dokumentierte die Zeitung auch einen Ausriss aus dem Antwortschreiben von Kaul. Dabei, so Ströbele, „ging es gar nicht um die RAF-Leute, sondern um meine persönliche Verteidigung“.

Bereits im Februar hatte Ströbele zwei einstweilige Verfügungen gegen den Springer-Verlag erwirkt. Der Verlag legte umgehend Widerspruch ein: Die Stasi-Akten seien freigegeben, soweit sie die Rolle als Person der Zeitgeschichte betreffen.

Ströbele selbst hatte im Zusammenhang mit dem CDU-Untersuchungsausschuss zur Spendenaffäre die Herausgabe der Akten grundsätzlich begrüßt – „auch wenn jede Einsicht eine Verletzung des Persönlichkeitsrechtes ist“. Doch der Journalist müsse nachfragen, „ob das auch stimmt, was da in den Akten steht“. Auch nach den neuen Richtlinien erfahren Betroffene nicht, welches Medium Akteneinsicht hat. Jedem stehe aber offen, vor der Veröffentlichung den Rechtsweg auszuschöpfen.