Wenig Zeit, viel zu tun

Kanzler Schröder besucht US-Präsident Bush. Sie werden über Raketenabwehr, Zwangsarbeiterentschädigung, Klimaschutz und internationale Konflikte reden

BERLIN taz ■ Nur knapp acht Stunden hält sich Gerhard Schröder am Donnerstag bei seinem Antrittsbesuch in Washington auf. Da liegt der Verdacht nahe, dass der neue US-Präsident George W. Bush nicht viel Zeit für ihn hat oder, noch schlimmer, dass der stärkste Mann der Welt nur einen seiner vielen internationalen Kofferträger empfängt.

Im Kanzleramt hört man diesen Verdacht gar nicht gern, und das aus mehreren Gründen. Erstens habe nicht nur Bush einen vollen Terminkalender, so heißt es dort, sondern auch Schröder. Zweitens sei der Besuch des Kanzlers gut vorbereitet. Der Außenminister, der Verteidigungsminister und Schröders außenpolitischer Berater waren zuletzt in Washington. Da würden auch ein paar Stunden reichen, um ausführlich miteinander reden zu können. Und was den starken Mann und seine Kofferträger angeht: Der Innenpolitiker Schröder ist außenpolitisch allemal erfahrener als der Innenpolitiker Bush.

Knapp acht Stunden also für einen Besuch, der in erster Linie dem persönlichen Kennenlernen von Schröder und Bush dienen soll. Auch wenn den Sozialdemokraten Schröder mit dem Millionärssohn Bush nur wenig verbindet, so wird doch vermutet, dass sich die beiden gut verstehen werden. Schröder, der aus einfachen Verhältnissen stammt, sich nach oben gearbeitet hat und jetzt einen pragmatischen Regierungsstil pflegt, dürfte sogar bei den amerikanischen Konservativen besser ankommen als ein möglicher CDU-Kanzler.

Zu diesem Bild passt auch die Linie, die Schröder in Washington verfolgen will: Der Kanzler möchte keine Zweifel an seiner Bündnistreue zu den Amerikanern als dem wichtigsten Partner der Deutschen aufkommen lassen. Das heißt aber nicht, dass Schröder im Weißen Haus auf Knien rutschen wird, im Gegenteil. Er möchte dort deutlicher als Joschka Fischer bei seinem Besuch im Februar die deutschen und europäischen Interessen vertreten.

Dazu passt der umfangreiche Katalog von Fragen, den Schröder und Bush abarbeiten wollen. Er reicht von sicherheitspolitischen Aspekten (US-Raketenabwehr, europäische Verteidigung) über internationale Konfliktfälle (Balkan, Irak, Türkei) bis hin zu globalen Problemen (Klimaschutz, Aids) und bilateralen Fragen (Zwangsarbeiter). Schröder wird bei einzelnen Themen mehr zuhören wollen, bei anderen offen seine Meinung sagen.

Zuhören wird er vor allem bei den amerikanischen Plänen für eine Raketenabwehr. Die Bundesregierung hat sich offiziell zwar immer noch nicht festgelegt, wie sie sich zu diesem umstrittenen Programm verhalten möchte. Aber ihr ist klar, dass sie es nicht verhindern kann. Wichtig scheint ihr zu sein, einzelne Aspekte der Raketenabwehr beeinflussen zu können. In Regierungskreisen wird darauf verwiesen, dass die Bush-Administration schon nicht mehr von National Missile Defence, von einer nationalen Raketenabwehr, sondern nur noch von Missile Defence spricht. Das sei als Signal der Amerikaner zu werten, die Raketenabwehr als Programm des gesamten westlichen Bündnisses zu verstehen.

Zu den Themen, bei denen Schröder gegenüber dem amerikanischen Präsidenten deutlich werden möchte, gehört der Klimaschutz. Bush hat vor kurzem die Vereinbarung von Kioto (1997) über die Verminderung der Treibhausgase als unfair und ineffektiv bezeichnet. Sie sei gegen die wirtschaftlichen Interessen der USA gerichtet. Schröder hofft, Bush umstimmen zu können. Nicht jetzt in Washington, heißt es im Kanzleramt. Aber spätestens bis zur nächsten Weltklimakonferenz im Sommer. Die findet in Bonn statt. Dort möchte der Kanzler einen Erfolg feiern.

JENS KÖNIG