zoologie der sportlerarten
: PROF. H. HIRSCH-WURZ über den Triathleten

Musketiere ohne Waffen

Der Homo triplex hat es schwer, denn er kann weder schwimmen noch Rad fahren noch rennen. Für eine sportliche Karriere ist das keine ideale Voraussetzung, daher fristete er jahrhundertelang ein kärgliches Dasein in weit gehender athletischer Anonymität. Er vegetierte trübselig vor sich hin, widmete sich aus lauter Verzweiflung Sportarten wie Rhönrad fahren, Synchronschwimmen oder Orientierungslaufen und zermarterte sich das Hirn, wie er seiner armseligen Existenz Sinn verschaffen könnte. Dann erfand er den Triathlon.

Der Triathlon ist ein direkter Nachfahre der Sportart mit dem widersinnigsten aller Namen, des Modernen Fünfkampfs. Ein Wettkampf, wie man ihn sich altmodischer kaum vorstellen kann, schnurstracks aus dem 17. Jahrhundert übernommen, als sportliche Betätigung noch vorwiegend dem eigenen Überleben diente. Der Unterschied zum Triathlon ist, dass man beim Modernen Fünfkampf auch schießen, fechten und reiten nicht können muss. Rad fahren dagegen ist okay. Schließlich geht diese Art der Leibesertüchtigung auf die Musketiere des Monsieur Dumas zurück, und der fette Porthos mit Fahrrad, das sähe ungefähr so albern aus wie Stephan Vucković mit Zylinder auf einem Dressurgaul oder Lothar Leder mit Dreispitz und fuchtelndem Florett auf der Planche. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Triathlon ein Moderner Fünfkampf ohne Waffengewalt ist, bei dem man außerdem Hufe durch Speichen ersetzt hat. Ein pazifistisch gestutzter Pentathlon sozusagen, der zudem den Vorteil besitzt, dass man Fahrräder weder füttern noch in Quarantäne stecken muss.

Während sich der Homo triplex simplicissimus damit begnügt, seine Unfähigkeiten im Schwimmen, Radfahren und Laufen auf relativ kurzen Strecken unter Beweis zu stellen, strebt der Homo ferrotriplex nach einer höheren Form des Versagens. Ihn zieht es alljährlich nach Hawaii, wo er sich mit einer riesigen Schar von Gleichgesinnten ins Hafenbecken von Kona stürzt, um dies fast eine Stunde lang in ein wüstes Gewirr von Armen und Beinen zu verwandeln, dann auf dem Rad die umliegenden Vulkane abklappert und sich schließlich noch den halben Tag lang auf Schusters Rappen über hitzeflimmernden Asphalt dem Ziel entgegenschleppt. Auf den Homo triplex simplicissmus sieht der Homo ferrotriplex herab, vor allem wenn dieser Ausbund an Nichtswürdigkeit auch noch olympische Medaillen gewinnt und weltberühmt wird, was doch eigentlich nur ihm, dem eisernen Hawaiibezwinger, zukäme.

Das sollte er mal dem Homo ultratriplex erzählen, der sein Pläsier darin findet, tagelang vor sich hin zu paddeln, zu strampeln, zu humpeln und natürlich überaus verächtlich auf den Ferrotriplex mit seinen paar läppischen Kilometern herabsieht. Wo es einen Ultratriplex gibt, gibt es selbstredend auch einen Homo ultratriplex extremis, der den Ultratriplex von Herzen verachtet, einen Superultratriplex extremis, dem der Ultratriplex extremis ein Gräuel ist, einen Hypersuperultratriplex extremis und, nicht zu vergessen, den Homo triplex montanosus, der die ganze Sache im Hochgebirge erledigt und von dort aus besonders gut auf die ganzen anderen Triplexe hinabsehen kann.

Insgesamt nimmt die Zunft des Homo triplex in Schwindel erregendem Tempo an Mitgliederzahl zu, und manch einer fragt sich bereits: wieso eigentlich nur Schwimmen, Radfahren und Laufen? Schließlich gibt es noch massenhaft andere Sportarten, die man vorzüglich nicht beherrschen kann. Wie wäre es etwa mit dem Beathlon (Bogenschießen, Badminton, Boxen), dem Aquamarinathlon (Surfen, Segeln, Turmspringen) oder dem Indoorthlon (Formationstanz, Basketball, Bowling), der spielerischen Abart Figurathlon (Halma, Tipp-Kick, Schach), dem Bajuwathlon (Fingerhakeln, Schuhplattlern, Knödelwettessen) oder der besonders kniffligen Extremdisziplin Aventurathlon (Tiefseetauchen, Saharadurchqueren, Everestbesteigen). Der Möglichkeiten gibt es viele für den Homo triplex. Er braucht sie nur zu erkennen und beim Schopf zu ergreifen, dann sind ihm keine Grenzen gesetzt.

Wissenschaftliche Mitarbeit:

MATTI LIESKE

Fotohinweis:Holger Hirsch-Wurz, 32, ist Professor für Humanzoologie am Institut für Bewegungsexzentrik in Göttingen.