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pampuchs tagebuchDie Botschaft ist die Panne

Für die Cebit in Hannover hat unsereiner nie Zeit. Schon auf die Expo bin ich nur geraten, weil meine Maschine auf dem Flug in ein schöneres Gebiet wegen einer technischen Panne damals einen Zwangsaufenthalt in der Landeshauptstadt einlegte. Hat sich übrigens gelohnt. Vielleicht hatten die Expo-Fritzen ja da mit den Chartergesellschaften einen besonderen Deal gemacht.

Für die Cebit gab es leider kein internationales Flugpannenabkommen, was insofern verwunderlich ist, als alles, was man über die Messe so liest, den Pannenaspekt in der Welt der Computer groß herausstellt. Wenn ich den allgemeinen Trend richtig erfasst habe, heißt das große Problem, an dem sowohl Hersteller wie Nutzer (und Trendforscher) derzeit zu knabbern haben, „Featuritis“. Die einen können gar nicht genug „Features“ in ihre Geräte oder Software hineinpacken, die anderen jammern, weil sie immer mehr Schmarrn lernen müssen und selbst bloßes Telefonieren heute zu einer Knopfdruckorgie werden kann, bei der dann meistens auch noch etwas schief geht.

Mein Flugzeug ist vielleicht damals auch nur deswegen in Hannover liegen geblieben, weil der Pilot auf dem Bordcomputer herumgespielt hat, statt einfach geradewegs in die Karibik zu düsen. Neulich habe ich mal wieder „Das Testament des Dr. Mabuse“ von 1933 gesehen und das schöne Telefon bewundert, das der Kriminalkommissar da benutzte. Mit einem Handy oder einem Laptop hätte er den verrückten Verbrecher bestimmt nie erwischt, weil er sich sicher heillos verfeaturt hätte. Wegen der vielen klugen Cebit-Artikel in dieser Woche kam mir dann die Frage in den Sinn, was Dr. Mabuse mit seinen Plänen zur „Weltherrschaft des Verbrechens“ wohl heute gemacht hätte. Welche Chancen hätte Mabuse – oft als eine frühe Metapher auf Adolf Hitler gesehen – als „dr.mabuse.org“ im Netz?

Erhellend und auch beruhigend ist in diesem Zusammenhang, was der Kommunikationstheoretiker Norbert Bolz anlässlich der Cebit über das Internet sagt. Bolz stellt fest, dass der „Global Gossip“ heute die entscheidende Nutzungsart des Mediums sei. Klatsch und Tratsch – schon immer das „wichtigste Schmiermittel der Gesellschaft“ – hätten sich durch die Elektronik globalisiert, machten die „Fernstenliebe“ attraktiv und uns alle zwar nicht zu Welt-, aber doch zu Netzbürgern. Was bei den Affen das „Grooming“, das gegenseitige Pflegen und Kraulen, sei, das seien für den Menschen Geschwätz und Klatsch: Sie dienten dem Gemeinschaftssinn, der Geselligkeit, ja der Bildung moralischer Standards. Nur dass das heute eben zunehmend in Talkshows oder im Internet geschehe, bei Letzterem sogar ohne jede redaktionelle Einschränkung – affenschnell, weltweit und wahllos.

Ein Mabuse ginge mit seiner Hompage in diesem Gequatsche wohl einfach unter. Nicht das Verbrechen hat die Weltherrschaft übernommen, sondern das Geschwätz. Die Featuritis ist dabei keine Krankheit, sie ist dem neuen Medium angeboren. Bolz hat zwar Recht, wenn er in der „Kommunikation als Kult“ die Ersatzreligion unserer Zeit sieht. Aber wenn er meint, Nutzer und Hersteller hätten im Interesse dieser Faszination des Mediums den Computer am liebsten als bloßen „Diener, der die Wünsche seines Herrn kennt“, und der Trend gehe weg vom Schnickschnack, verkennt er, dass diese Wünsche das Medium selbst betreffen und – bei Strafe der Langeweile – „in der sich verändernden Gestalt des Mediums ständig neu geschaffen werden müssen.

Geschwätz heißt heute auch, dass wir dasselbe alle paar Monate neu aufgebrezelt – eben neu „gefeaturt“ sagen wollen. Und selbst das Jammern darüber, dass etwas nicht funktioniert, ist wesentlicher Bestandteil des Geschwätzes im Netz. „The medium is the message“, gerade und auch bei Pannen. THOMAS PAMPUCH

ThoPampuch@aol.com

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