vorlauf
: Auf Pekings Champs-Elysées

Straße des Ewigen Friedens

– Peking (22.15 Uhr, SW 3)

Eine Frau steht in ihrer Wohnung und erzählt, was sie von Chinas Vergangenheit weiß und von der Zukunft hält. Sie lebt mit ihrer Familie direkt an der „Chang An Jie“ in einem ärmlichen Hutong, das bald dem Luxus der Zukunft weichen soll: Bald zieht die Familie in eine Blockwohnung um. „Ich wurde nie gefragt“, sagt sie und schickt sich wie tausend andere in ein unvorhersehbares Schicksal.

„Champs-Elysées von Peking“ nennen zwei junge Models die Straße und freuen sich über den Fortschritt des Landes – wie viele andere, die in Thomas Schadts Film zu Wort kommen: einfache Menschen, Studenten, Geschäftsleute aus Europa und den USA, darunter eine deutsche Unternehmerin, die in ihrem Büro an der „Chang An“ eine Auslandsfiliale der „Schwäbisch Hall“ betreibt. China erlebte innerhalb der letzten zehn Jahre einen dramatischen Wandel. Vor allem wirtschaftlich veränderte sich das Land von der klassischen Planwirtschaft hin zu einem knallharten und weltoffen orientierten Kapitalismus, der in einem einmaligen Spannungsverhältnis zum streng sozialistisch geprägten System steht. Entlang des großen Hauptboulevards in Peking zeigt sich dieses spannungsgeladene Aufeinandertreffen von sozialistischer Tradition und ökonomischer Modere. Architektonisch erlebte die Straße in den letzten Jahren eine fast vollständige Verwandlung. Wo früher traditionelle Siedlungen zu finden waren, ragen heute Geschäftshäuser in den Himmel, in denen vorwiegend ausländische Firmen die chinesische Wirtschaft erproben.

Thomas Schadt beobachtet, ohne sich aufzudrängen, aber auch ohne seine Gegenwart zu verleugnen. Behutsam dringt er in den Alltag seiner Protagonisten vor. Folgt ruhig den Gesetzen, die er sich selbst geschaffen hat:: Behutsamkeit, Respekt, Zurückhaltung. Der 90-Minuten-Film zeigt China, wie man es kaum erwartet und wie es nur wenige kennen. Er dokumentiert ausführlich und zeigt auf, welchen politischen und wirtschaftlichen Weg China gehen will, um als kommunistisch regiertes Land eine global taugliche Überlebensstrategie zu entwickeln. SONJA LAURÈL BAUER