die stimme der kritik
: Betr.: Alte Gemeinschaft AG

Frühlingsbriefe zu Sommerzeiten

Die erste kalte Frühlingswoche liegt hinter uns und etwas liebevoll wärmelnd Behütendes über diesem Land. Ein Schutzschirm, freundlich zivil, wider die Hektik des 3. Jahrtausends. Nennen wir es das bedächtige Dreigestirn: jene alten Staatsbetriebe, die hinausgeschickt wurden in den harten Kampf der Moderne, um mit gebotenem Anstand stolze deutsche Werte wie Beharr- und Gemütlichkeit tapfer zu verteidigen.

Da ist, wie immer als Speerspitze, unsere Telekom mit k. Sie hat einen Weckdienst für alle Menschen ängstlichen Gemüts, die ihren Uhren nicht trauen. Am Sonntag wurde die Telekom mit k von der Umstellung auf Sommerzeit überrascht und ließ ihre müden KundInnen eine Stunde länger schlafen. Will man sich da nicht nachträglich noch miträkeln?

Und da ist unsere Deutsche Bahn, früher Bundesbahn, schon Bahn AG, die sparbedingt bald nur noch A heißen wird oder „ “. Ein Lokführer, jener vorbildliche Mann in der ICE-Kanzel, machte am Sonntag einfach Pause mitten im Tunnel und ging ins Bordrestaurant. Wahrscheinlich war er ohne Weckdienst der Telekom mit k übermüdet vom Sommerzeiteinbruch und hat fürsorglich Rast gemacht. Vorsichtig. Vorbildlich. Kunden- und sicherheitsorientiert.

Und da ist drittens noch die Deutsche Post. Auch schon zur AG geadelt, der Alten Gemeinschaft. Im Zeitalter anonymer Schrecklichkeiten wie Fax und Mail macht sie uns den Brief wieder schmackhaft. Durch Millionen Briefe an alle „Haushalte mit Tagespost“; Anrede: „Liebe Schreibfreundin, lieber Schreibfreund“. Ja, wir sollen wieder Briefe schreiben, denn „gerade jetzt im Frühling macht es besonders großen Spaß, einen Brief zu schreiben“.

Der Post-Post beigelegt sind „neue Grußbriefe“, eine technologische Meisterleistung aus knick- und klebbarem „Brief und Umschlag in einem“. Optisch ist das Ensemble eine Hommage ans beschauliche Vorgestern mit originellen Motiven wie Herz, Hufeisen, Hasenensemble (Ostern!), Kleeblatt. Da lacht die Tintenfeder und hüpft von selbst ins Fässchen. Hoffentlich sind Sommer, Herbst und Winter nicht traurig – da macht es doch auch großen Spaß, einen Brief zu schreiben.

Auch an Ron Sommer: mit einem mahnenden Hinweis vielleicht auf die nächste Zeitumstellung im Herbst. Die heißt dann Winterzeit, Ron. Empfohlene Motive: „Viel Glück“ (Kleeblatt) oder „Alles Gute“ (Hufeisen). Und wenn es tatsächlich klappt: „Herzlichen Glückwunsch“ (Herz).

BERND MÜLLENDER