„Die Sanktionen schaden“

In Afghanistan treffen die UN-Sanktionen das Taliban-Regime nicht, meinen deutsche Politiker, vielmehr müsse der Not leidenden Bevölkerung dringend geholfen werden

BERLIN taz ■ Politiker von SPD, Bündnisgrünen und PDS haben gestern die UN-Sanktionen gegen das Taliban-Regime in Afghanistan kritisiert. „Die Sanktionen schaden den Taliban nicht, sondern den Menschen“, sagte die grüne Parteivorsitzende Claudia Roth auf einer Pressekonferenz afghanischer Exil gruppen in Berlin. Roth forderte die Durchsetzung des Waffenembargos, aber weitere Nothilfe für die Bevölkerung. „Wer Afghanistan vergisst, der tötet“, so Roth.

Sie hatte im vergangenen Jahr als Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestags das südasiatische Land besucht. Dort tätige Hilfsorganisationen hätten vor verschärften Sanktionen gewarnt, die im Januar in Kraft getreten seien, so Roth. Es ginge um das schlichte Überleben der Menschen.

Die Zerstörung der berühmten Buddha-Statuen von Bamiyan wertete Roth nicht als Reaktion der Taliban auf die Sanktionsverschärfung. Vielmehr gebe der Umgang mit den Statuen eine Vorstellung über die Behandlung der Bevölkerung. Roth verurteilte die Verweigerung des Rechts auf Arbeit und Bildung für Frauen und sprach von „Barbarei“ und „Hölle“. Roth forderte, das deutsche Asylrecht müsse geschlechtsspezifische Menschenrechtsverletzungen mit politischer Verfolgung gleichsetzen. Auch wenn das Taliban-Regime nicht anerkannt sei, handele es sich bei seinen Aktionen de facto um staatliche Verfolgung, was asylrelevant sein müsse.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Angelika Graf, die mit Roth nach Afghanistan reiste, hat nach eigenen Angaben noch Albträume von ihrem Besuch. Die Zerstörung der Statuen, die weltweit Empörung ausgelöst hatte, sah sie als Chance, die Öffentlichkeit über die Lage in Afghanistan zu informieren. Nothilfe sei auch deshalb wichtig, damit nicht später beim Zusammenbruch des Taliban-Regimes niemand mehr da sei, der das Land aufbauen könne, so Graf.

Mit der Pressekonferenz trat erstmals ein Aktionsbündnis afghanischer Exilgruppen an die Öffentlichkeit, die sich als demokratische Alternative zu den kriegsführenden Parteien bezeichneten. SVEN HANSEN