Letzte Schonfrist für Trittin

Die Koalition wird den Antrag der Union auf Entlassung Trittins heute ablehnen. Doch die SPD warnt: Wir schützen ihn zum letzten Mal. Fischer ermahnt Grüne: Wir müssen jetzt zusammenstehen

von SEVERIN WEILAND

In der SPD-Fraktion nahm das Thema nur zwei Minuten ein. Peter Struck, der Fraktionschef, erinnerte die Abgeordneten am Dienstagnachmittag daran, im Bundestag geschlossen den Unionsantrag auf Entlassung Jürgen Trittins abzulehnen. „Das ist eine Frage der Regierungsdisziplin“, meinte der Parlamentarische Geschäftsführer Wilhelm Schmidt gestern in seiner Mittwochsrunde vor Journalisten und folgte damit argumentativ der Linie, die der Kanzler seit dem Wochenende vorgegeben hatte: Wir stehen zu Trittin, wenn die Grünen zu ihm stehen wollen.

Wie sehr der Ärger über den Umweltminister, der den CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer nicht nur die Mentalität, sondern auch das Aussehen eines Skinheads attestiert hatte, rumort, machte Schmidt klar: „Das ist das letzte Mal, dass Trittin von uns geschützt wird.“ Sollte er nochmals mit einer Äußerung Turbulenzen auslösen, würde wohl die SPD die Konsequenzen ziehen. Auf welchem Wege „das passieren wird“, so Schmidt, darüber wolle er „nicht spekulieren“. Jetzt gehe es darum, sich auf die Sacharbeit zu konzentrieren.

Bei aller Kritik war gestern das Bemühen der SPD spürbar, Trittin nicht in Gänze in Frage zu stellen. Als Minister eines „außerordentlich schwierigen Ressorts“ habe er „überwiegend gute Arbeit gemacht“, so Schmidt. Dass ein angezählter Minister Trittin bei den Verhandlungen mit der Industrie über die Novellierung des Atomgesetzes in eine schwache Lage geraten könnte, wird zumindest öffentlich bei der SPD nicht geteilt. Es liege nicht an Trittin, sondern an der Situation, in der viele Akteure einzubeziehen seien, dass die Ausstiegsfristen noch nicht in Gesetzesform vorliegen, lautete die Einschätzung von Schmidt.

Am Dienstagnachmittag hatte die Fraktion der Grünen sich mit Trittin und den Wahlergebnissen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auseinander gesetzt. Die Befürchtung der Parteilinken, die Realos in der Fraktion würden Trittin zum Rücktritt auffordern, bestätigte sich nicht. Werner Schulz vom realpolitischen Flügel meinte am Rande der Sitzung, der „Einzige, der den erlösenden Satz sagen kann, ist Trittin selbst“.

In der mehr als drei Stunden dauernden Debatte war der Gesprächsbedarf groß. Fast jeder meldete sich zu Wort, hieß es. Eine große Mehrheit habe sich für einen Verbleib Trittins im Amt ausgesprochen. Linke wie Realos hätten „erstaunlich selbstkritisch“ die Lage analysiert. Trittin sprach nach Angaben von Teilnehmern davon, unter welchem Druck er stehe, wie Kamerateams ihn seit Monaten verfolgten.

Joschka Fischer schließlich nahm sich in einem längeren Beitrag der Lage der Partei an. Zu Trittin meinte er, dieser habe einen Fehler gemacht, jetzt komme es aber darauf an, gegen die Kampagne der Union zusammenzustehen. Die Exministerin Andrea Fischer hatte schon vor der Sitzung gegenüber Journalisten einen Rücktritt von Trittin ausgeschlossen: „Jeder hat eine zweite Chance.“