Kader rotieren

Russlands Präsident besetzt die Ministerien für Verteidigung und Inneres neu – mit zwei Zivilisten. Damit soll die Gesellschaft entmilitarisiert werden

MOSKAU taz ■ Kremlchef Wladimir Putin kündigte gestern eine umfangreiche Kabinettsumbildung an, die „noch öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen werde“. Zum Auftakt besetzte der russische Präsident derweil die Schlüsselministerien der Verteidigung und des Inneren neu. Verteidigungsminister wird der 47-jährige Sergej Iwanow, der bisher den Sicherheitsrat des Präsidenten leitete und zu den engen Vertrauten Putins zählt. Der scheidende Verteidigungsminister Igor Sergejew wurde mit einem militärischen Beraterposten bei Putin abgefunden.

Das Innenministerium übernimmt Boris Gryslow, derzeit Fraktionschef der Kremlpartei „Edinstwo“ in der Duma. Sein Vorgänger Wladimir Ruschailo wird Chef des Sicherheitsrates.

Der neue Verteidigungsminister Sergej Iwanow ist kein Militär. Ein Novum, auf das der Kremlchef gestern hinwies: Eine Zivilperson an der Spitze des Verteidigungsministeriums, so Putin, solle dazu beitragen, die Gesellschaft zu entmilitarisieren. Als kleine Sensation mag gelten, dass mit Ljubow Kudelina erstmals eine Frau zur stellvertretenden Verteidigungsministerin ernannt wurde. Zuletzt war sie Vizefinanzministerin und für den Rüstungskomplex zuständig.

Der personelle Umbau im Verteidigungsministerium hing lange in der Luft. Verteidigungsminister Igor Sergejew und Generalstabschef Anatoli Kwaschnin lieferten sich seit Monaten einen erbitterten Stellungskrieg. Mehrfach musste der Kremlchef angekündigte Reformen der Armee aufschieben. Zweifel bestehen, ob die Entmilitarisierung der Gesellschaft von Iwanow vorangetrieben werden kann, der sich als Mitarbeiter des Geheimdienstes FSB Sporen verdiente.

Putin begründete seine Entscheidung mit den jüngsten Ereignissen im Nordkauksus und Nachbargebiet zu Tschetschenien, wo in den letzten Tagen mehrere blutige Anschläge verübt worden waren. Seit Februar hatte der Kremlchef das Kommando in Tschetschenien der Armee entzogen und dem Inlandsgeheimdienst FSB übertragen.

Mit Boris Gryslow rückt ebenfalls ein enger Vertrauter des Präsidenten an die Spitze des Innenministeriums. Böse Zungen sagen dem 50-Jährigen nach, aus Treue zum Präsidenten gar aus dem Fenster zu springen. Außenpolitisch wirkte er bisher als Kurier des Kreml. Sein innenpolitischer Auftrag bestand darin, die politischen Eliten Russlands um den Präsidenten zu sammeln. Dementsprechend kommentierte auch Putin Gryslows Ernennung: eine politische Entscheidung. KLAUS-HELGE DONATH