Bewegung erreicht Stillstand

Eine spektakuläre Schienenblockade verzögert den Transport der Castor-Behälter nach Gorleben um mindestens einen Tag. Demonstranten jubeln über unerwarteten Erfolg. Niedersachsens Innenminister lehnt zweiten Transport in diesem Jahr ab

DANNENBERG/BERLIN dpa/ap/taz ■ „Technische Gründe“ waren offiziell der Grund für den Rückzug. Kurz nach 6 Uhr morgens rollte gestern zum ersten Mal in der Geschichte der Castor-Transporte der Zug mit dem Atommüll rückwärts. Diese „technischen Gründe“ saßen 25 Kilometer vor Dannenberg auf dem Gleis: Vier Atomkraftgegner, die ihre Arme so geschickt in einem Kubikmeter Beton unter den Gleisen angekettet hatten, dass die Polizei erst mit Spezialwerkzeug und vierzehn Stunden Verspätung die Gleise wieder freibekam.

Die Castor-Gegner jubelten: Der Zeitplan für den Transport war Makulatur. Jetzt sollen die sechs Castor-Behälter mit den 85 Tonnen hochradioaktivem Atommüll frühestens heute Nachmittag im Zwischenlager in Gorleben ankommen. Bereits in der Nacht zu Mittwoch hatte die Polizei die Schienen immer wieder freigeräumt. An der Verladestation in Dannenberg war es zu Krawall zwischen Polizei und etwa 500 Demonstranten gekommen. Polizei und Protestler warfen sich gegenseitig Brutalität vor. Die härtesten Auseinandersetzungen werden für heute erwartet, wenn die Castoren auf Tiefladern von Dannenberg nach Gorleben rollen. Dann sollen den 15.000 Demonstranten 15.000 Polizisten gegenüberstehen.

Ein Klagerecht gegen die Castor-Transporte steht den Anwohnern nicht zu, urteilte gestern das Oberverwaltungsgericht Lüneburg. Der niedersächsische Innenminister Heiner Bartling (SPD) erklärte, dass er einen zweiten Castor-Transport in diesem Jahr ablehne. Das geplante Gesetz zum Atomausstieg wird sich verzögern: Man werde es wohl nicht schaffen, das Gesetz vor der Sommerpause zu beschließen, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag, Wilhelm Schmidt. Die grüne Fraktionschefin in Hannover, Rebecca Harms, forderte, den Energiekompromiss noch einmal zu überdenken. Eine „Befriedung“ des Konflikts um die Atomkraft habe es nicht gegeben. BPO

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