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: Der Pinguin-Club feiert Jubiläum

Was ist eigentlich mit dem Rössli?

Schöneberg wird immer das bleiben, was es schon gestern und vorgestern war: ein nettes, beschauliches Viertel, in dem man seine Kinder aufziehen und alt werden kann, ohne nun ein bestimmtes Gefühl dafür entwickeln zu müssen, alt zu werden. Da es einen nicht nach Charlottenburg verschlagen hat und Neukölln und Mitte weit weg sind, kann man sich in Schöneberg auf ewig einbilden, in einem richtigen Szeneviertel zu wohnen.

Sie wissen schon: Das Freudenhaus, ach, waren das Zeiten, das 90 Grad, der helle Wahnsinn, die Zulu-Bar, die reinste Hölle, das Café M und das Kumpelnest, schöne und unbeirrbar lebende Legenden, und dann die Motzstraße und ihre Umgebung, ein noch hellerer Wahnsinn. In Schöneberg ist Berlin einfach lebenswert, hier bleibt man jung, weil es so wahnsinnig angesagt ist.

Mancherorts hat man in Schöneberg auch richtigen Humor, zumindest bemüht man sich darum. Vor allem die flotte Szene-Location Pinguin-Club in der Wartburgstraße fühlt sich dafür zuständig. Fotos von Filmstars und antiquarische Werbetafeln hängen hier an den Wänden, es grüßen die Fünfziger, die Discokugel leuchtet wie einst in den Siebzigern, und die Zeit scheint überhaupt spurlos vorübergegangen zu sein. Als Berlin-Neuling spürte man hier in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern, wie Schöneberg tickte. Besonders auffällig war es, wenn man vorher im Ecstasy um die Ecke eine Band wie die Honeymoon Killers oder den dicken Tad gesehen hatte und sich dann zum Post-Bier in den Pinguin-Club begab: Mit der geradezu persönlichen Begrüßung durch wahlweise den Techno-Pionier Marc Reeder, den gemütlichen Punk-Veteranen Chaos („Beck’s!“) oder den sympathischen Cowboy Gusto in ihren immer schön weißen Schürzen ging’s los, dann folgte eine genauso persönliche Bedienung am Tisch und später das gepflegt gezapfte Bier. Dieses wiederum wurde ganz Berlin-unüblich auf einem Deckel notiert und erst abgerechnet, wenn man genug hatte und nach Hause wollte.

Das Berlin der Ärzte, des falschen Heinos und von Karl Hermann; das Schöneberg des Winterfeldtplatzes, auf dessen Markt die immer gleichen 40-Jährigen ihr Gemüse kaufen und 2001 genauso aussehen wie 1986 oder 1995; das Berlin, das dieser Tage ein Konzert von Mark Knopfler ausverkauft und sich freut, wenn die Rolling Stones kommen (um vielleicht später im Pinguin-Club ein After-Show-Bier zu trinken) oder der große Mink De Ville einmal an der Theke steht: Der Pinguin-Club vereinigt all das und ist darauf ganz gut stolz.

Dinosaurier des Nachtlebens der er nun mal ist, ist es natürlich klar, dass er auch mal ein Jubiläum feiert, und weil er ein so reichlich witziger Laden ist, feiert er ein ganz besonders Jubiläum: Das 5.555-Tage-Jubiläum, ja, genau, ein Jubiläum, dessen Zahl man einfach aufschreiben muss, um es in seiner Besonderheit würdigen zu können: fünftausendfünfhundertfünfundfünfzig Tage.

Das ist so außergewöhnlich und so lustig, dass man sofort anfängt nachzurechnen: 365 Tage sind ein Jahr, 3.650 Tage sind zehn Jahre, und dann müssen noch 1825 Tage drauf, also fünf Jahre, und in null Komma nix weiß man, dass der Pinguin-Club ungefähr am 26. Juni 1986 das erste Mal seine Pforten öffnete. So viel Rechnerei muss sein, soviel Spaß haben wir lange nicht mehr gehabt, der ist beim Jubiläumsfest am 6. April im ColumbiaFritz kaum noch zu toppen. Stellt sich nur noch die Frage: Was ist eigentlich mit dem Rössli? GERRIT BARTELS