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: HELMUT HÖGE über Klowitze

Einmal ist keinmal

Schon lange wollte ich sie loswerden, jetzt ist die Gelegenheit da: Der ehemalige Redakteur des Sonntag, Wolfgang Sabath, hat einen Schlüssellochroman über den Mittwoch geschrieben, das heißt, über sein ehemaliges Ostberliner Intelligenzblatt, das jetzt Freitag heißt. Sabaths Buch heißt „Das Pissoir“. Und das deswegen, weil zwei seiner Redaktionskollegen in der Wende plötzlich anfingen, das in den Jahrzehnten der kommunistischen Herrschaft verdreckte Redaktionsklo zu putzen: Der Zeit-Herausgeber Gerd Bucerius hatte sich angesagt – und sie hofften, dass er den Sonntag übernehme, der bis dahin dem Kulturbund gehörte. Witzigerweise hatte sich Bucerius zehn Jahre zuvor auch schon mal bei der taz zu einem Besuch angekündigt, woraufhin Michael Sontheimer und ein anderer Redakteur anfingen, die taz-Toiletten zu putzen. Tatsächlich wurden die beiden dann auch wenig später von der Zeit übernommen.

Beim Sonntag lief es jedoch schief: Bucerius ließ sich dort gar nicht mehr blicken, nachdem ihm der neue Chef des Kulturbunds die Abokartei verkauft hatte. In der Wende wurden überall in der DDR die sowjetisch versifften Klos auf Vordermann gebracht. So auch beim Berliner Batteriewerk BAE, wo man das Büro des Parteisekretärs Petras für zigtausend Mark von der Treuhand zu einem „Investoren-Scheißhaus“ umrüstete – mit Palmen und Rentokil-Cleaning-Vertrag. Die Analfixierung der Deutschen geriet in der Post-DDR zu einem regelrechten Sanitär-Potlatsch: Hunderte von Kneipenbesitzern ruinierten sich mit ihrer aufwendigen Toilettenrenovierung. Als das Werk für Fernsehelektronik von Samsung übernommen wurde, ließ der koreanische Konzern ebenfalls alles generalüberholen und verschönern. Dann flog der Samsung-Chef selbst in Berlin ein und nahm das Werk in Augenschein. Anschließend schiss er seine Berliner Geschäftsführer zusammen: Allein bei den Toiletten hatte er 29 Mängel entdeckt!

Während das sowjetische Primitivklo von Ilja Kabakov auf der „documenta“ die deutsche Kunstseele umschmeichelte, offerierten manche Ostbaumärkte bis zu 100 verschiedene Toilettendeckel. Beliebt wurden durchsichtige Plastikdeckel mit Stacheldraht innen drin. Zu allem Überfluss zog vor einiger Zeit auch noch die „Blaue Karawane“ der kämpferischen Irren aus Triest hier durch die Lande. Darunter befand sich einer, der ständig auf der Suche nach Toilettendeckeln mit drei Gumminoppen war. Dabei gab es ein Problem: Wenn er lange Zeit keinen fand, wurde er aggressiv – und schließlich schubste er ahnungslose Omas von der Bordsteinkante. Um Derartiges zu vermeiden, beteiligten sich bald alle Teilnehmer der Blauen Karawane an der Suche nach dreinoppigen Klodeckeln. Dabei gerieten sie im Osten dann schier aus dem Häuschen – angesichts all der irren Scheißhäuser dort. An der Autobahn nach Dresden gibt es sogar welche mit einer richtigen Bildergalerie, und in Leipzig welche, die automatisch die Klobrille nach Benutzung putzen, indem sie entweder durch eine Art Schwamm gedreht oder mit einer neuen Folie überzogen wird.

Im Wedding gab es kurz vor der Wende mal eine Sanitärfirma, die vielen Kneipen dort Klobrillen zum Auflegen auf die Klobrillen aufschwatzte. Die Aufleger hingen nach Art von Rettungsringen über den Becken an der Wand. Die Erfindung war ein Flop, aber noch heute sieht man im Wedding in vielen Klos diese inzwischen leeren Halterungen an den Wänden. Die Firma warf sich danach mit erdfarbenen Billigfliesen aus Spanien in das Osttoilettengeschäft – und wurde reich damit (früher war die Bezeichnung „blaue Fliesen“ ein Handwerkerhinweis, dass sie nur für Westmark loskacheln würden). Der Weddinger Geschäftsmann besitzt seit 1997 eine Finca bei Marbella.

Zurück zu Wolfgang Sabaths Kurzroman „Das Pissoir“: Da ich viele der darin porträtierten Sonntags-Redakteure kenne, war die Lektüre für mich ein besonderes Vergnügen. Es erschien dieser Tage als MV-Taschenbuch im Verlag „Büro + Service GmbH Rostock“.