Die Gewalt eskaliert

Zwei Palästinenser getötet. Israels Regierung gibt grünes Licht für Luftangriffe. Arafat kündigt Fortsetzung der Intifada bis Staatsgründung an

JERUSALEM taz ■ Zwei jugendliche Palästinenser starben gestern bei neuen schweren Unruhen zwischen Demonstranten und israelischen Soldaten am Eres-Kontrollpunkt, der Israel und den Gazastreifen trennt. Die Auseinandersetzungen waren Folge der israelischen Bombenangriffe am Vorabend, bei denen zwei Menschen getötet und rund 60 verletzt wurden. Die israelische Luftwaffe hatte als Vergeltungsmaßnahme für eine Serie von Attentaten auf israelische Zivilisten mehrere Stützpunkte der „Force 17“, der Schutzgarde von Palästinenserpräsident Jassir Arafat, angegriffen.

Die Fatah-Bewegung Arafats hatte bislang die Verantwortung für die Attentate im israelischen Kernland abgelehnt. Gestern drohte die Bewegung erstmals, in Israel aktiv zu werden, sollten die israelischen Bombardierungen nicht eingestellt werden.

„Es besteht eine sehr enge Kooperation zwischen der Force 17 und den islamischen Fundamentalisten“, erklärte David Ziso, Sprecher des israelischen Verteidigungsministeriums auf Anfrage. Israel macht die Schutzgarde des Palästinenserpräsidenten für die „Mithilfe bei Planung und Vollzug“ der Anschläge verantwortlich. „Ab sofort sind alle Mittel koscher [in Ordnung, d. Red.]“, zitierte die israelische Tageszeitung Maariw Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliesar. Noch vor wenigen Wochen hatte Ben-Eliesar den Einsatz von Hubschraubern strikt abgelehnt. Der „schlimmste Rekord seit Beginn der Gewalt“ habe ihn nun zum Umdenken gebracht.

Einstimmig unterstützten die Minister bei der Regierungssitzung am Mittwoch die Angriffe der Luftwaffe. Selbst der als moderat geltende Außenminister Schimon Peres befürwortete die Strategie der Exekutionen von Rädelsführern. Mit Regierungschef Ariel Scharon beriet Peres bereits seit Beginn der Woche über den geeigneten Zeitpunkt für die Vergeltungsmaßnahme.

Dass die Angriffe nicht früher kamen, lag zum einen an den Beratungen im US-Sicherheitsrat über die Entsendung von Beobachtertruppen, gegen die die USA ein Veto einlegten, zum anderen an dem arabischen Gipfel in Amman, der am Mittwoch zu Ende ging. Die Regierung nannte die Angriffe einen „ersten Akt“, dem weitere folgen würden. Ungeachtet der jüngsten Eskalation sprach sich Scharon gestern für den Frieden aus. Dieser sei erreichbar, sagte er.

Jassir Arafat nannte die Luftangriffe in Ramallah, in Hebron und im Gazastreifen den Beginn der von Israel initiierten „100 Tage Angriffe gegen das palästinensische Volk“. Israel provoziere mit den Bombardierungen seiner Schutzgarden eine Eskalation der Gewalt. Gleichzeitig kündige Arafat an, die Intifada werde bis zur Gründung eines palästinensischen Staates andauern.

Im Hauptquartier der „Force 17“ im Gazastreifen machte sich offenbar keine Panik breit. „Wir kämpfen seit 40 Jahren gegen Israel“, meinte ein Brigadekommandant. „Wir wissen mit der Situation umzugehen.“ Auf den Vorwurf, die „Force 17“ würde mit den Bewegungen Hamas und Dschihad zusammenarbeiten, meinte er: „Unser einziges Ziel ist die Sicherheit von Arafat und die Sicherheit unseres Volkes. Wir sind keine Terroristen.“ SUSANNE KNAUL