Ein bisschen Frieden

■ Nach den Theatern und Orchestern durften nun auch die sozio-kulturellen Einrichtungen Schulte erklären, warm es sie geben muss

In einer Simpsons-Folge kommt Bart und Lisa ein Ballon in Gestalt eines rosa Elefanten abhanden. Er fliegt durch die Stadt, dann direkt in die x-te Etage eines Bürogebäudes. Dort tagen beanzugte Herren zum Thema: Ein schwuler Republikaner ins Weiße Haus – 2084! Oben angekommen fragt Lisa keuchend, «2084?‚ – «Ja, wir sind Realisten!‚ Ein bisweilen absurd anmutender Realismus prägte auch das Gespräch «Kulturentwicklungsplan – Kulturelle Stadtteilarbeit‚ vorgestern im Lagerhaus. Und der rosa Elefant hieß «Bremen. Kulturhauptstadt Europas 2010‚ Aber das nur am Rande.

Das Lagerhaus also: paradigmatischer Ort, der, wie Hausherr Anselm Züchert meinte, auch diejenigen Entwicklungen birgt, die sich im letzten Vierteljahrhundert – reichlich genährt von (Post)68er-Visionen – «von unten‚ entwickelt haben. Vielfalt, gewiss. Dies Wort fiel auffällig oft in den leidlich kurzweiligen drei Stunden. Die Frage ist nur, was man genau damit meint. Wie überhaupt Worten und Formulierungen wie Qualität, Professionalität, Standort, Stadtentwicklung in kulturpolitischen Kontexten stets ein merkwürdiger Beigeschmack anhaftet.

Im dritten der so genannten KEP-Gespräche war zum ersten Mal die spartenübergreifende Freie Szene geladen, sich zu den Überlegungen aus dem Hause Schulte zu äußern. Der Kultursenator ist Profi. Souverän konterte er jede Kritik, mal kumpelhaft, dann wieder jovial und bedankte sich für die zahlreichen «Anregungen‚. Keine schlechte Taktik, lächelnd und mit ausladenden Armbewegungen zu erklären: Dies oder jenes sei ja bedenkenswert, aber er müsse den KEP nun mal verteidigen.

Doch ist das nur die halbe Wahrheit. Denn verteidigen mussten sich an diesem langen Nachmittag eher die anderen. So bezeichnete Franz Erpenbeck , Vorstand des Oslebshausener Bürgerhauses, den KEP als «Verwirrspiel‚ und nicht zuletzt deswegen als «Ärgernis‚, weil dies Papier, wie viele zuvor, die vor Ort Engagierten zusätzlich von der Arbeit abhielte. Man habe den Eindruck, die eigene Institution pausenlos verteidigen zu müssen, beschwerte sich die Brodelpott-Frau. Und dabei sei, wie in den vergangenen Jahren in Gröpelingen zu beobachten jene Qualität, die man ständig beweisen müsse, gerade nicht das Kriterium, wenn es um Kürzungen gehe.

Und auch dieses KEP-Gespräch wirkte wie ein Schaulaufen in schönen Gewändern, während die Punktrichter sich schon längst auf dem Heimweg befinden. Zahlreiche Initiativen, Häuser und Zentren aus der ganzen Stadt bekamen Gelegenheit, Einblicke in ihr alltägliches Tun zu vermitteln. Natürlich ist die „Vielfalt“, altersmäßig, spartenmäßig etc. beeindruckend. Und die im KEP eingeforderte «Synergie‚ zwischen den Häusern muss wohl nicht verordnet werden, sondern ist längst gängige Praxis. Schulte bemühte sich nach Kräften, den Eindruck zu zerstreuen, der KEP sei reines strategisches Finanzpapier. Andererseits droht vieles der Kreativität den Bach runter zu gehen, wenn alternative «Raumumnutzungsideen‚ (Züchert) in offizielle Stadtplanung integriert werden – als eingehegtes Biotop gewissermaßen.

Trotz vielfach geäußerter Skepsis gegenüber dem behördlichen Planungspapier fehlte ein wenig der deutliche Schulterschluss der freien Szene(n), die sich davor hüten sollte(n), die eigenen Projekte zu sehr den Farben (blau, gelb) der jeweiligen Bremenmarketing-Saison zuzuordnen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Schließlich ist Stadtteilkultur ohne finanzielle Absicherung nicht zu leisten und in Punkto «Selbstausbeutung‚ sei, darauf konnten sich alle einigen, «längst das Ende der Fahnenstange erreicht‚. Das deutlichste Signal kam aus dem Publikum, als Horst von Hassel («Anstoß‚), kulturpolitisch ja nicht gerade unerfahren, meinte, ihn hätten die ersten sechs Seiten des KEP positiv überrascht, aber eigentlich fehlte der Satz: «...nur leider haben wir dazu kein Geld‚. Die «sechs Seiten‚ hatten im weiteren Verlauf fast sprichwörtlichen Charakter. Bis Schulte den finalen Lacher vorbereitete: «Vielleicht waren wir zu unvorsichtig und haben zu viel Positives reingeschrieben.‚ Das ist Demokratie, langweilig wird sie nie, sang weiland Andreas Dorau die Ballade von der Vereinnahmung subkulturellen Strebens. Tim Schomacker