Tränen kullern

Die Handballer des THW Kiel räkeln sich vorm Rückspiel beim FC Barcelona auf recht kommodem Torpolster

GÖTTINGEN taz ■ Wenn heute im Palau Blaugrana das Rückspiel in der Handball-Champions-League zwischen dem FC Barcelona und dem THW Kiel angepfiffen wird, werden die ersten Tränen schon geflossen sein. Abschiedstränen nämlich, die für Inaki Urdangarin vergossen werden. Er spielte 13 Jahre lang für den spanischen Klub. Zwar hatte der seit 1997 mit der Tochter des spanischen Königs Juan Carlos verheiratete gebürtige Baske die Barça-Schuhe bereits nach Ablauf der vergangenen Saison an den Nagel gehängt. Da Europas bekanntester Handballer aber bei Olympia in Sydney noch für die Nationalmannschaft spielte, beim FC trainierte und überdies ein würdiger Rahmen für den Abschied gesucht wurde, sagen die Spanier nun 45 Minuten vor dem Halbfinal-Heimspiel Adios.

Wer allerdings vermutet, die Zeremonie, bei der Urdangarins Trikot am Hallendach angepinnt wird, würde bereits zum Halbfinale stattfinden, vielleicht weil Barça nach der 24:28-Hinspielniederlage am Finaleinzug zweifelt, irrt gewaltig. Im Gegenteil. Die Katalanen geben sich selbstbewusst: „Gut, die Kieler haben ein Tor mehr geworfen als letztes Jahr, aber mit unsrem Publikum im Rücken werden wir das schon schaffen. Außerdem stehen die Kieler viel mehr unter Druck“, so Demetrio Lozano, 25-jähriger Rückraumspieler und neben Spielgestalter Enric Masip mit sechs Toren Barcelonas erfolgreichster Werfer im Hinspiel. Dennoch weiß Trainer Valero Rivera, der im Gegensatz zu seinem Kieler Kollegen erneut auf dem besten Wege ist, sein Team zum nationalen Meistertitel zu führen, dass dieses Match ihnen alles abverlangen wird: „Es wird ein sehr schweres Spiel. Wir werden in allen Bereichen, in der Abwehr, im Angriff auf allerhöchstem Niveau spielen müssen, um gegen Kiel mit fünf Toren zu gewinnen. Natürlich wollen wir gewinnen. Die Champions League, diese höchste europäische Auszeichnung, wollen wir immer gewinnen“, sagt Rivera.

Kiels Manager Uwe Schwenker kontert: „Natürlich läuft das nicht bewusst ab, aber ich kann mir gut vorstellen, dass gerade unsere alten Schweden für diese wohl letzte Chance auf einen Champions-League-Gewinn noch mal alles geben werden.“ Und wie wichtig die beiden Skandinavier Wislander und Olsson (je 37) nach wie vor sind, zeigten sie am vergangenen Sonntag in Kiel. Staffan Olsson verstand es nicht nur durch seine fünf Tore, sondern vor allem durch seinen unermüdlichen Einsatz Mitspieler und Publikum anzustacheln. „Wir wissen, dass Barcelona eine sehr gute Mannschaft ist, aber wir haben ja letztes Jahr insgesamt nur knapp verloren. Wir sind optimistisch für das Rückspiel“, sagte er.

Einen Optimismus, den alle Kieler Spieler angesichts der übermächtigen Kulisse im Palau Blaugrana verbreiten werden müssen, zumal dieses Jahr die Anzahl der mitreisenden Fans von 300 auf 150 geschrumpft ist. Aber auch davon will sich Schwenker – der THW ist Mitgesellschafter des Reisebüros – die Vorfreude auf den Einzug ins Finale nicht trüben lassen: „Wir stehen auch ohne die Champions League wirtschaftlich gut da“, sagt er, wenngleich er um den Vermarktungsvorteil eines solchen Titels weiß. Und einen anderen Pokal wird der THW, der mit Ausnahme der Saison 96/97 seit acht Jahren immer mindestens einen der drei großen Pötte eroberte (Meisterschaft, DHB-Pokal, Europa-Pokal), nicht mehr gewinnen können.

Aber wenn es klappt mit der Champions League, sollten vielleicht in der Kieler Ostseehalle analog zu dem Leibchen von Inaki Urdangarin die Trikots der Schweden aufgehängt werden. Olsson hätte es verdient, Magnus Wislander sowieso. Schließlich ist Wislander seit zehn Jahren für die Erfolge des THW maßgeblich mitverantwortlich und darf sich nach einer IHF-Auszeichnung sogar Welthandballer nennen. Zu Recht. ANKE BARNKOTHE