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: ARNO FRANK über den Versuch einer vorsichtigen Annäherung

Fernseher, Fernbedienung, Videorecorder und andere mediale Prothesen

Wer seinen Blick über diese Seite wandern lässt, dem dürfte rasch augenfällig werden, dass sie ausschließlich Programmhinweisen tabellarischer und rezensierender Natur gewidmet ist. Gucken Sie dies, gucken Sie jenes, gucken Sie halt selbst. Service für Gucker eben. Aber TV-Freunde brauchen nun mal a) ein funktionstüchtiges Empfangsgerät und b) eine Fernbedienung – ein Ensemble, das nur gemeinsam seine segensreiche Wirkung entfaltet.

Mein früheres, fernsehfreies Leben jedenfalls war ein ausgefülltes. Leichtfüßig und still schritten die Tage dahin, ohne sich unter das Joch televisionärer Pflichttermine spannen zu lassen. Dann stand da plötzlich dieser Fernseher, dort, wo der Maurer eine Ecke gelassen hatte. Achtlos auf dem Boden, abseits, wie eine geduldete Haushaltskraft, die nur sporadisch zum Einsatz kommen sollte. Tatsächlich hielt sich meine ganz private Einschaltquote anfangs in Grenzen, denn zum Umschalten musste ich mich jedesmal aus meinem Sessel erheben – eine schwere Prüfung, die das träge Konsumieren konterkariert. Eine Fernbedienung nämlich war in dem Danaer-Geschenk nicht enthalten, und so sagte ich mir: „Bewegste dich halt ein bisschen, kann ja nix schaden.“ Es konnte.

Jede Werbung, in höherer Klangkompression in mein Wohnzimmer geblasen, nötigte mich zu hochfrequenten Spaziergängen zum Fernseher – vom Um- und Abschalten ganz zu schweigen. Hinzu gesellte sich die demütig kauernde Haltung, die mir die Suche nach den versteckten Knöpfchen am Gerät zunehmend vergällte.

In solchen Szenen entsann ich mich meiner Großmutter selig, die, obschon sie nur drei Programme zur Verfügung hatte, jeden Fingerdruck auf ihrer Fernbedienung mit einer ruckenden Bewegung Richtung Fernseher begleitete – als brauche das elektronische Signal noch zusätzlichen Schwung aus dem Handgelenk. Auch dachte ich an den Freund, der, mit allem erdenklichen Equipment gesegnet, souverän über eine ganze Flotte von Fernbedienungen gebietet.

Dem gegenüber erwies sich meine Methode, aus dem Stand mit nackten Zehen nach den Knöpfen zu tasten, als untragbarer Anachronismus. Auch gezielte Würfe mit gläsernen Murmeln zeitigten bei weiten nicht die Wirkung, die ich mir davon versprochen hatte. Als sich auch mein Queue als zu kurz erwies, als dass er mir sinnvolle Dienste leisten könnte, da legte mir das Schicksal doch noch eine Fernbedienung in die Hand und verkündete: „Willkommen im 21. Jahrhundert“.

„Über Videorecorder“ laufen nun alle Sender, und die Fernbedienung gab’s gratis dazu. Nicht ohne Stolz kann ich jetzt behaupten, im Vollbesitz jener medialen Prothesen zu sein, die für die Nutzung und Zähmung der zeitgenössischen Programmvielfalt unerlässlich sind. Nur manchmal nachts, wenn meine Wohnung im gleichen gespenstischen Blau leuchtet wie alle anderen, schleicht sich dreist die Frage ein, ob ich beim langen Marsch zu mir selbst nicht in eine fiese Falle getappt bin. Mal sehen . . .