Die Gräben bleiben tief

In einer Bundestagsdebatte zum Kosovokrieg steht die PDS allein gegen alle anderen Parteien. Fischer warnt vor territorialer Neuordnung des Balkans

aus Berlin BETTINA GAUS

„Wir haben nicht gegen den großserbischen Nationalismus gekämpft, um einen anderen Großnationalismus zu akzeptieren“, erklärte Joschka Fischer. „Wir dürfen heute nicht beginnen, wieder Grenzen zu verändern.“ Die Kursbestimmung gestern im Bundestag bezog sich auf die Zuspitzung der Lage in Makedonien – und lieferte zugleich einen Hinweis, worum es bei der innenpolitischen Diskussion über das Thema in nächster Zeit gehen wird: Der Außenminister übte, wenngleich etwas verklausuliert, Kritik an jenen Teilen der Unionsparteien, die unter Hinweis auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker eine auch territoriale Neuordnung des Balkan befürworten. Die Perspektive könne heute nur in der europäischen Integration, nicht in den „Lösungen des 19. Jahrhunderts“ liegen, sagte Fischer dazu. Für die Stabilität der Region sei außerdem „die ökonomische Perspektive“ von „überragender Bedeutung“.

Anlass für die von der PDS beantragte Debatte war die Antwort der Bundesregierung auf eine große Anfrage der Partei zur Bilanz der Nato-Operation in Jugoslawien (siehe unten). Dabei wurde deutlich: Zwei Jahre nach dem Krieg haben sich die Fronten zwischen Befürwortern und Kritikern der Nato-Angriffe eher verhärtet als abgebaut – innerhalb wie außerhalb des Parlaments. Ein Beispiel: die Empfehlung des SPD-Abgeordneten Eberhard Brecht an die Adresse des WDR-Intendanten, sich von den „beiden Herren“ zu trennen, die für den viel beachteten, Nato-kritischen Film „Es begann mit einer Lüge“ verantwortlich sind. Deren Arbeit stehe „nicht in Übereinstimmung mit dem Ethos eines Journalisten“.

Auch zwischen den Parteien bleiben die Gräben tief. Der CDU-Politiker Christian Schwarz-Schilling unterstellte der PDS, Freund von Slobodan Milošević zu sein, den sie weit weniger heftig kritisiere als die Nato: „Da weiß man, wes Geistes Kind sie sind.“ Gregor Gysi wies dies zurück: „Ich bin gegen jede Verharmlosung der Verbrechen von Milošević. Ich bin aber auch dagegen, ihn zu instrumentalisieren, um sich durch maßlose Übertreibungen die Zustimmung in den eigenen Reihen zu sichern. Dieser Krieg war nicht nur völkerrechtswidrig, sondern er hat die Probleme dort auch nicht gelöst.“

Außer der PDS rechtfertigten Redner aller Parteien die Nato-Intervention im Kosovo – mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Christian Schmidt (CSU) betonte, es sei dabei nicht nur um ein humanitäres Anliegen gegangen, sondern auch um „Stabilität bei uns“. Dafür habe man weitere „Flüchtlingsströme“ verhindern müssen. Eine fast durchweg positive Sicht der Nato-Operation vertrat der FDP-Abgeordnete Hildebrecht Braun. Gernot Erler (SPD) nannte die Bilanz des Krieges dagegen „ambivalent“. Positiv zu werten sei die Rückkehr von 900.000 Flüchtlingen in das Kosovo. Zugleich bedeute jede militärische Intervention immer auch „ein Versagen der Prävention“. Und dann zeigte sich Erler besorgt über die Entwicklung in und um Makedonien.