Endlich Schluss machen mit dieser Umweltschützerei

Obwohl Umweltschutz in den USA populär ist, benimmt sich George W. Bush in seinen ersten Amtswochen, als wolle er sich als radikalster Umweltgegner aller Zeiten profilieren

WASHINGTON taz ■ Diplomatisch ist George W. Bush nicht gerade, auch nicht dem deutschen Bundeskanzler zuliebe. CO2-Emissionen hin oder her – „was im Interesse unseres Landes ist, steht an allererster Stelle“, knallte er Gerhard Schröder freundlich lächelnd im Oval Office auf den Couchtisch. Mag der Treibhauseffekt auch noch so sehr zur Menschheitsfrage werden. Bush denkt an sich, seine Sponsoren und seine Wähler – und anders als Vorgänger Bill Clinton geniert er sich nicht einmal dafür.

Mit seiner lautstarken Beerdigung des Klimaschutzprotokolls von Kioto hat der US-Präsident nicht nur befreundete Industrienationen wie Deutschland vor den Kopf gestoßen. Auch daheim rätselt das Politvolk bis hin zu seiner Umweltministerin darüber, warum er dem Abkommen die sanfte Ruhe des Scheintodes nicht mehr gönnt. Schließlich war angesichts der Mehrheitsverhältnisse im US-Senat selbst unter Clinton an eine Ratifizierung nicht zu denken. Die Welt hatte sich grummelnd darauf eingerichtet – und fuhr nun so wütend wie hilflos aus dem Schlaf.

Für die Amerikaner ist Kioto die verzichtbarste einer ganzen Serie von Umweltschutzmaßnahmen, die Bush seit seinem Amtsantritt im Januar kippte. Der Oberste Förster der USA reichte am Dienstag aus Protest gegen die Wiederzulassung des Straßenbaus in den nationalen Wäldern seinen Rücktritt ein. Schadstoffe in den Großen Seen, Schneemobile im Yellowstone-Nationalpark, Arsen im Trinkwasser – Bush stellt eine Bestimmung nach der anderen in Frage, als wolle er sich als größter Anti-Umweltschützer aller Zeiten profilieren.

Dabei ist Umweltschutz in den USA durchaus populär, vor allem bei den Wechselwählern in den Vorstädten. In einer Umfrage des unabhängigen Pew-Institutes sprachen sich 55 Prozent der US-Bürger für das Kioto-Protokoll aus. Bush gehe ein beträchtliches politisches Risiko ein, meint Pew-Direktor Andrew Kohut. Vielleicht wolle der Präsident aber auch nur schlechte Nachrichten rasch hinter sich bringen, damit sie bei den nächsten Kongresswahlen im kommenden Jahr wieder vergessen sind.

Vom Kahlschlag bei den Umweltbestimmungen profitieren vor allem die Stromversorger in den USA. Sie spendeten im vergangenen Wahlkampf 18,4 Millionen Dollar, davon 12,4 Millionen an Bushs Republikaner. Die Kohleindustrie, der wegen Kioto eine Beschränkung des CO2-Ausstoßes drohte, beschäftigt Scharen von Lobbyisten. Sie haben seit dem Regierungswechsel mehr Einfluss in Washington als der Sierra Club und andere ehemalige Protegés von Clinton und seinem Vize Al Gore.

Seine Abkehr von Kioto begründete der US-Präsident gegenüber Schröder mit der Konjunkturschwäche und der Energieknappheit in den USA. Das Weiße Haus beruft sich auf eine Studie des Energieministeriums, wonach die Deckelung der CO2-Emissionen den Übergang zum Erdgas beschleunigen und dabei die Preise in die Höhe treiben würde. Für die kippelnde US-Wirtschaft sind hohe Strompreise jedoch gar nicht gut.

Bushs Albtraum ist vermutlich, ähnlich wie sein Vater nach einer Amtszeit abgewählt zu werden, weil er im Konjunkturzyklus einen Abschwung erwischt hat. Vielleicht hofft er, dass billiger Strom und die Deregulierung des Umweltrechtes den Optimismus von Verbrauchern wie Unternehmern rechtzeitig wieder anwerfen. In guten Zeiten mag der Umweltschutz an den Urnen eine Rolle spielen. In schlechten Zeiten gilt Clintons Leitsatz vom Portemonnaie, das den Wählern am nächsten liegt: „It’s the economy, stupid!“

ELLY JUNGHANS