Sensible Rezeption

Stanley Kramers Filme „Judgment at Nuremberg“ und „So ends our Nights“ im Metropolis  ■ Von Tim Gallwitz

Wenige andere deutsche Städte haben einen ähnlich fetten Janus-Wasserkopf wie Nürnberg. Die Stadt der Lebkuchen und Reichsparteitage klammert jene Filme zusammen, die es hier zu besprechen gilt. Die zweite Klammer hört auf den Namen Stanley Kramer. Sein Tod im Februar ist Anlass für die Retrospektive zu Ehren des Produzenten (High Noon) und Regisseurs (Judgment at Nuremberg). In Kramers Filmographie ist So ends our Night (1941) der erste Eintrag. Als production assisstant arbeitete er an diesem Film mit, der die Themen Verfolgung, Flucht und Staatenlosigkeit aufgreift. Nürnbergs Rassegesetze sind auch Hintergrund, wenn der blutjunge Glenn Ford nur 50 Prozent des ganz besonderen Saftes in seinen Adern fließen hat, die auf das Adjektiv „deutsch“ hören. Ohne Pass irrt er von Land zu Land, von Wien nach Prag nach Zürich nach Paris, um von da nach dort und zurück abgeschoben zu werden.

Albrecht Dürers Heim ist auch Hintergrund, wenn die filmische Ikonographie der deutschen Stadt dem Nürnbergischen Vorbild folgt. So wie Bier und Bayern das deutsche Image im Ausland prägen, dominiert der Mittelalter-Style der Christkindlmarkt-City auch die Vorstellung vom deutschen Gemeinwesen. Der konventionell gewerkelte Streifen, der politische Message mit Liebesgeschichte und Heldenmut verbindet, versammelt eine Schar deutscher Emigranten, angeführt von Alexander Granach und Ernst Deutsch. Erich von Stroheim gibt – wenig überraschend – einen SS-Offizier, der hinter Nazi-Gegner Fredric March her ist. Immer wieder überraschend ist, dass der „gute Deutsche“ niemals fehlt. Ist es amerikanische Fairness, die Hunnen des 20. Jahrhunderts nicht in Bausch und Bogen zu verdammen?

Anklagevertreter Robert Jackson machte bei der Eröffnung des Militärtribunals Ende 1945 un-missverständlich deutlich, dass die Kollektivschuld nicht das Thema war: „Wir möchten klarstellen, dass wir nicht beabsichtigen, das deutsche Volk zu beschuldigen. Wenn die breite Masse des deutschen Volkes das NS-Parteiprogramm willig angenommen hätte, wäre die SA nicht nötig gewesen, und man hätte kein KZ und keine Gestapo gebraucht.“

Ganz abgesehen davon, ob man dieser Analyse zustimmt, ist eine weitere Überraschung, wie empfindlich die deutsche Rezeption ausfällt. Kramers Judgment at Nuremberg, der im Jahr des Mauerbaus seine Weltpremiere in Berlin feierte, kann kaum als böswillige Anklage oder Germany-Bashing gelesen werden. Dennoch wurde dem Courtroom-Drama mit Staraufgebot (Spencer Tracy, Burt Lancaster, Marlene Dietrich u. v.a.) von der Publikumsmehrheit vorgeworfen, unnötigerweise die Vergangenheit auszugraben und damit alten Hass zu schüren. Willy Brandts Premierenrede, die vom deutschen Versagen sprach und davon, dass das Recht in der Nazizeit mit Füßen getreten wurde, bleibt in ihrer Verständigkeit da eine Ausnahme.

Entsprechend dem fairen Umgang brechen auch die Prozess-Dokus The Nuremberg Trials (1946) und Nürnberg und seine Lehre (1948) nicht den Stab über Deutschland. Obgleich nur zwei Jahre zwischen den Filmen liegen, hat sich der Prozess der Blockbildung bereits eingegraben. Wo der sowjetische Film noch alliierte Einigkeit und die Internationalität des Gerichtes betont, kann der re-education-Beitrag Nürnberg und seine Lehre seine demokratisch-rechtsstaatliche agency, die das US-Modell favorisiert, kaum verbergen.

Wieder zwei Jahre später hat der Prozess im DEFA-Film Der Rat der Götter schon jede Glaubwürdigkeit verloren und wird als kapitalistisches Marionettentheater verspottet. 1946 aber galten noch andere Prioritäten. So geht es The Nuremberg trials auch nicht zuletzt um die Präsentation der Leichen der hingerichteten Nazi-Kriegsverbrecher. Gräber bekamen sie keine, um Wallfahrtsstätten zu vermeiden. Ihre Asche wurde an geheimem Ort dem Wind anvertraut.

So ends our Night: 2. 4., 19 Uhr; The Nuremberg Trials und Nürnberg und seine Lehre: 3. 4. 17 Uhr. Einführung Heiner Roß; Judgment at Nuremberg: 3. 4. 19.30 Uhr, alle Metropolis