„Der Spaß hört dann auf“

Der Vorwahlkampf für die Hamburger Bürgerschaft am 23. September kommt auf Touren. Die Parteien befinden in diesen Wochen über ihre Programme und SpitzenkandidatInnen oder haben dies bereits getan. Zeit für erste Interviews. Gleich zu Anfang wird's kontrovers: Im taz-Gespräch mit Ronald Schill, Chef der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, die seit kurzem seinen Namen trägt. Nächsten Montag: FDP-Chef Rudolf Lange.

taz: Herr Schill, was machen Sie am 24. September?

Ronald Schill: Da werden wir Koalitionsverhandlungen führen, um in Hamburg die Regierung zu übernehmen und die SPD-Herrschaft zu beenden, unter der die Stadt seit 44 Jahren zu leiden hat.

Mit welchen Partnern?

Wir wollen wirkliche Veränderungen herbeiführen. Deshalb kommen SPD und GAL und natürlich auch der Regenbogen nicht in Betracht. In erster Linie also die CDU, obwohl das nicht unser Wunschpartner ist. Vielleicht auch zusammen mit anderen kleineren Parteien, wenn es denen gelingt, über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen.

Die FDP lehnt ein Bündnis mit Ihnen ab.

Wenn es auf sie ankommen sollte, wird sie sich einer Koalition der Vernunft kaum verweigern.

Für Ihre Partei haben Sie keinen Zweifel am Einzug in die Bürgerschaft?

Nein. Wir rechnen sicher mit 15 bis 25 Prozent.

Bei der Wahl in Baden-Württemberg vor acht Tagen hat die CDU kräftig am rechten Rand zugelegt, dort zulasten der Republikaner. Fürchten Sie für Hamburg, dass die Union jetzt verstärkt um Ihre potentiellen Wähler wirbt, wie sie es mit ihrem Sicherheitsberater Kusch bereits versucht?

Die Republikaner sind eine rechtsextreme Partei, mit der wir nichts zu tun haben. Deshalb ist die Lage in Hamburg ganz anders...

Die Schill-Partei steht deutlich rechts von der CDU, deshalb halten wir die Lage für vergleichbar.

Ich sehe uns gar nicht rechts von der CDU, weil...

Welche der folgenden vier Bezeichnungen akzeptieren Sie dann für die Schill-Partei: konservativ, liberal, populistisch, reaktionär?

Nichts dergleichen. Diese Einteilungen sind alle überholt, ebenso wie rechts, links oder Mitte. Innere Sicherheit zum Beispiel, unser zentrales Thema, ist das ureigenste Interesse auch der Arbeiterschaft, die traditionell SPD gewählt hat und sich von dieser im Stich gelassen fühlt. Das sieht man vor allem in früheren SPD-Hochburgen wie Wilhelmsburg oder Billstedt.

Sie wollen also vor allem das Protestpotential erreichen und jene, die gar nicht mehr wählen?

Ja. Ich bin selbst das personifizierte Protestpotential. Ich bin ja vor allem aus Frustration über die Verhältnisse in dieser Stadt überhaupt in die Politik gegangen.

Was haben Sie denn vor vier Jahren gewählt?

Gar nicht. Ich wusste nicht, wen ich hätte wählen sollen. Und so haben das mehr als 30 Prozent der Wahlberechtigten auch gesehen.

Ihre „Partei Rechtsstaatlicher Offensive“ hat ihr Kürzel jüngst geändert von „PRO“ in „Schill“. Pflegen Sie Personenkult?

Nein. Uns ist ja von der Initiative Pro-DM dieses Kürzel gerichtlich untersagt worden, weil sie Verwechslungsgefahr sah. Also haben wir einen klaren und unverwechselbaren neuen Begriff suchen müssen. Das ist Marketing, mit Personenkult oder Eitelkeit hat das nichts zu tun.

Viele Gründungsmitglieder der PRO sind wieder ausgetreten oder wurden rausgeworfen, immer nach Auseinandersetzungen mit Ihnen. Für uns sieht das nach Abstrafen und totalitärem Klima aus.

Da hat sich Spreu vom Weizen getrennt. Es ist normal bei einer neuen Partei, dass da Leute kommen, die vor allem sich selbst profilieren wollen. Da muss man sich auch trennen können, wenn sie die Partei schädigen. Die Medien neigen aber dazu, solche Personalgeschichten aufzubauschen.

Wie wollen Sie eine junge türkischstämmige Wahlbürgerin davon überzeugen, Schill zu wählen?

Eigentlich müssen wir die gar nicht überzeugen, die kommen von alleine zu uns, weil sie wissen, dass wir für ihre Interessen eintreten. Die Integration ausländischer Mitbürger, die sich legal in Hamburg aufhalten, ist ein vorrangiges Ziel für uns. Zum Beispiel der Schutz von Geschäftsleuten vor Schutzgelderpressungen durch Leute, die illegal hier sind, Kurden zum Beispiel. Wir hatten ja auch mal einen Schwarzafrikaner im Vorstand, der klar sagte, dass die Differenzierung wichtig ist zwischen den rechtmäßig hier lebenden und ehrlichen ausländischen Mitbürgern und den Dealern, die...

Anthony Rau. Der ist schnell wieder ausgetreten, weil er „nicht Schills Alibi-Neger“ sein wollte.

Der Satz ist ihm von Zeitungen in den Mund gelegt worden.

Gegenüber der taz hat er das seinerzeit von sich aus gesagt, dazu mussten wir ihn nicht ermuntern.

Dann hat er Ihnen gegenüber wiederholt, was ihm eine andere Zeitung in den Mund gelegt hat.

Sie wollen die Kriminalität in dieser Stadt binnen drei Monaten halbieren. Wie soll das gehen?

Zunächst ist ein geschlossenes Heim für etwa 100 jugendliche Gewalttäter einzurichten. Davon verspreche ich mir viel. Dann sind die Arrestzellen für Jugendliche so unwirtlich auszustatten, wie sie es bis in die 70er Jahre waren, nach dem Motto: short, sharp, shocked. Wenn jugendliche Straftäter dort ein Wochenende verbringen, erleben sie einen heilsamen Schock. Inzwischen ist der Jugendarrest zu einer unterhaltsamen Freizeiteinrichtung verkommen.

Also abschrecken, und wenn das nicht hilft, wegsperren?

Durch den Abschreckungsgedanken tut man auch den Jugendlichen einen Gefallen. Dadurch werden kriminelle Karrieren beendet, bevor sie richtig begonnen haben. Davon versprechen wir uns mehr als von erlebnispädagogischen Reisen. Und außerdem muss auf Jugendrichter und ihr Sanktionsverhalten eingewirkt werden. Diese lasche Jugendgerichtsbarkeit ist völlig aus dem Ruder gelaufen.

Sie wollen die Jugendrichter notfalls alle ablösen.

Nicht alle, aber bei eklatanten Rechtsverstößen gebietet es das Recht, die Leute zwangszuversetzen. Und dass die Zwangsversetzung eines Richters möglich ist, dafür bin ich ja selbst der Beweis.

Sie haben sich vor Jahren nicht ablehnend zur Todestrafe geäußert. Würden Sie diese Bemerkungen heute nochmal so machen?

Ich habe mich nie für die Wiedereinführung der Todesstrafe ausgesprochen. Ich habe nur gesagt, wenn es parlamentarische Mehrheiten für eine Todesstrafe gäbe, wäre das für mich kein Anlass, mein Richteramt niederzulegen.

Also klipp und klar: Sind Sie für oder gegen die Todesstrafe?

Ich bin gegen die Todesstrafe.

Zu einem anderen Thema, das bei Ihnen wohl auch unter der Überschrift Innere Sicherheit läuft: Rote Flora. Wie stehen Sie zum Verkauf durch die Stadt?

Das ist ein Wahlkampfgag auf Kosten der Steuerzahler.

Der zur Befriedung im Viertel führen kann.

Eine Befriedung ist ja nicht schon dadurch gewährleistet, dass man das in private Hände gibt. Die Leute aus der Flora haben schon deutlich gemacht, dass sie den Verkauf nicht akzeptieren. Für einen Bürger, der sich Tag für Tag abrackert, schwer nachvollziehbar.

Würden Sie als Senator die Flora räumen lassen?

Sofern das rechtlich möglich ist und nicht durch die verhängnisvolle Entscheidung des Senates vollendete Tatsachen geschaffen wurden, würde ich das versuchen.

Sie reden viel von Sicherheit, von Ruhe, von Ordnung. Es ist Ihnen aber doch wohl klar, dass eine Regierungsbeteiligung von Ihnen zur Verhärtung des Klimas in der Stadt beiträgt.

Das mag sein, dass es für ein paar Wochen zur Beunruhigung führt. Aber von einem Regierungswechsel wird ja auch eine Signalwirkung auf Kriminelle ausgehen, die Hamburg dann künftig meiden und sich in andere Bereiche absetzen, wo es angenehmer ist. Der Spaß hört dann auf, das merken die sehr schnell.

Wie die Chaoten, die Rote Flora und die Bauwagenszene reagieren, das weiß ich nicht. Die sehen das möglicherweise sportlich, als Gelegenheit, sich ein wenig zu reiben an einer Regierung, die sich nicht bei ihnen anbiedert.

Ein paar andere wichtige politische Themen: Halten Sie zum Beispiel die Verlässliche Halbtagsgrundschule für sinnvoll?

Das sehen wir nicht als Hauptproblem in der Bildungspolitik an. Wir lehnen ja nicht alles einfach ab, was Rot-Grün gemacht hat. Problematischer ist, dass in sozial benachteiligten Stadtteilen deutschsprachige Kinder bei der Einschulung mit Kindern in eine Klasse kommen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind und sie dadurch in ihrer Entwicklung stark zurückgeworfen werden. Es muss sichergestellt sein, dass bei der Einschulung alle Kinder die deutsche Sprache ausreichend beherrschen.

Der Tiefwasserhafen wird in Wilhelmshaven entstehen. Eine gute Entscheidung?

Katastrophal für Hamburg. Der Senat hat es nicht fertig gebracht, den Hafen rechtzeitig an der Elbmündung in Cuxhaven anzusiedeln.

Ihre Haltung zu den Castor-Protesten im Wendland?

Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis.

Wie kann man den Multimedia-Standort Hamburg sichern?

Indem man zum Beispiel den Transrapid geschaffen hätte. Auch eine katastrophale Fehlentscheidung. Wenn es ihn gäbe, würde kein Konzern über Umzüge nach Berlin nachdenken.

Halten Sie das Klagerecht von Umweltverbänden für sinnvoll?

Nein, das geht nach dem Flori-ansprinzip. Da wird dann geklagt, weil man Müllverbrennungsanlagen oder die Heroinabgabe nicht vor der Haustür haben will.

Was würden Sie gegen die Verschuldung der Stadt tun?

Der Verschwendung von Steuergeldern muss Einhalt geboten werden, solche Projekte wie die Stadtbahn muss man stoppen. Ebenso der Rückbau der Busbuchten. Das ist ja eine Liste ohne Ende.

Worauf muss Hamburg sich unter Ihrer Regierungsbeteiligung einstellen?

Erstmal werden wir Hamburg wieder sicherer machen, so wie dies in München oder Stuttgart selbstverständlich ist. In der Verkehrspolitik wird zurzeit alles getan, um Autofahrer zu schikanieren. Dies muss sich ändern. Und in der Schulpolitik muss das ganze System erheblich leistungsorientierter werden.

Wir wetten mit Ihnen: Sie kommen in die Bürgerschaft, bleiben aber in der Opposition sitzen, und nach spätestens zwei Jahren haben Sie die Lust an der Politik verloren und steigen aus.

Da haben Sie schlechte Karten, weil wir ja schon im September in der Regierung sind. Die Wette nehme ich an. Interview:  Peter Ahrens / Sven-Michael Veit