sie sind das schwächste glied. goodbye:
von RALF SOTSCHECK
Der Engländer liebt Quizsendungen. Täglich sitzt die Nation vor dem Bildschirm und überprüft ihr Allgemeinwissen. Nicht wenige sind davon überzeugt, dass sie es besser könnten als die Kandidaten im Fernsehen. Anne Robinson, Quizmasterin der Sendung „Das schwächste Glied“, bestärkt sie in ihrem Glauben. Sie kanzelt die Kandidaten gnadenlos ab.
„Wenn ich aufzählen sollte, was Sie alles nicht wissen, wären wir bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag hier“, schnaubt sie. „Deshalb sage ich einfach nur tschüss. Sie sind das schwächste Glied.“ An dem Quiz nehmen neun Kandidaten teil, die sich nicht kennen, aber als Team reihum Fragen beantworten müssen, um Geld in die gemeinsame Kasse zu spielen. Nach jeder Runde stimmen die Kandidaten ab und werfen das vermeintlich schwächste Glied hinaus. Zum Schluss bleiben zwei übrig, die das gesammelte Geld unter sich ausspielen.
Beantwortet ein Kandidat eine Frage falsch, verliert das Team Geld, so dass bei mancher Runde nur Kleinbeträge zustande kommen. „Sie sind Mathematiklehrerin“, lästerte Robinson. „Sie können also addieren. Ein wunderbares Talent. Aber hier gibt es nichts zu addieren, weil ihr nur erbärmliche hundert Pfund zusammengebracht habt.“ Neulich schaffte die Runde nicht mal das. „Diesmal habt ihr euch selbst übertroffen“, bellte die gehässige Quizmasterin mit schneidender Stimme. „Das hier ist eine Quizsendung und kein Lehrprogramm.“
Einen Kandidaten, der in der Aufregung Ost und West verwechselt hatte, fragte sie überrascht: „Sie sind Mitglied bei Mensa, der Vereinigung intelligenter Menschen? Lassen Sie sich den Beitrag zurückzahlen.“ Gern wird sie auch persönlich: „Schneiden Sie sich eigentlich die Haare selbst?“, fragte sie eine erfolglose Kandidatin. Als die verneinte, musterte Robinson sie lange und meinte: „Sieht aber so aus. Sie sind das schwächste Glied. Goodbye.“ Einer anderen Kandidatin bescheinigte sie, dass sie die dümmste Person sei, die ihr jemals untergekommen sei. Das ging dem Fernsehsender dann doch zu weit, die entsprechende Stelle wurde vor der Ausstrahlung herausgeschnitten.
Nicht herausgeschnitten hingegen wurde Robinsons Gastauftritt bei „Room 101“, einer Talkshow, bei der Prominente ihr Lieblingshassobjekt beleidigen dürfen. Robinson mag keine Waliser. Sie würden alle Jones heißen und ihr auf die Nerven gehen, sagte sie und fügte hinzu: „Wofür gibt es eigentlich Waliser?“ Das war zuviel für die kleine Nation am Rande Großbritanniens. Bei der Polizei gingen reihenweise Anzeigen wegen Rassismus ein, BBC-Chef Greg Dyke soll vor dem Unterhaus erklären, warum er die antiwalisische Tirade nicht zensiert habe, und Sam Hamman, der Vorsitzende des Fußballklubs Cardiff City, bezeichnete Robinson als „hässliche, beleidigende Sphinx“. Nur die Tories standen ihr bei. „In was für einem politisch korrekten Polizeistaat“, so fragte der walisische Landwirtschaftsexperte der Tories, Peter Rogers, „leben wir eigentlich?“ Doch das wird die Tories bei den kommenden Wahlen auch nicht retten. Sie sind das schwächste Glied. Goodbye.
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