kurzinterview

Gerichtspsychiater Werner Platz über Ursachen

taz: Was bewegt Leute dazu, Straftaten vorzutäuschen?

Werner Platz: Überwiegend steckt dahinter das Bedürfnis, Aufmerksamkeit zu erwecken. Aufmerksamkeit im Sinne von Zuwendung. Es handelt sich häufig um Ich-schwache Menschen, die aktuelle tagespolitische Themen aufgreifen. Immer vorausgesetzt, es handelt sich nicht um Psychose-Kranke.

In letzter Zeit gab es einige Fälle, wo das Thema Rechtsextremismus zum Vorwand genommen worden ist, um sich als Opfer oder Held auszugeben.

Das ist noch eine Steigerung. Denn das Thema findet sehr große Beachtung in der Öffentlichkeit. Das ist zwar richtig und wichtig, provoziert aber auch solche Taten.

Im Grunde genommen sind Leute, die Straftaten vortäuschen, doch Nachahmungstäter, um nicht zu sagen Trittbrettfahrer.

Das kann man so sagen. Sie schwimmen auf einer aktuellen Welle mit. Die Öffentlichkeit ist heutzutage zu Recht sehr sensiblisiert, wenn es um Rechtsextremismus geht. Diese Sensibilität führt natürlich dazu, dass der Aufmerksamkeits- und Zuwendungseffekt sehr viel höher ist, als bei anderen Dingen.

Was kann man solchen Menschen, die sich zum Teil sogar selbst verletzen, mit auf den Weg geben?

Man muss sie untersuchen. Das sind schon Menschen, die eine gewisse psychische Beeinträchtigung haben. Das kann eine neurotische Fehlentwicklung oder eine desolate häusliche Situation sein.

Sollten sich die Medien mäßigen?

Die Medien begünstigen so einen Effekt natürlich. Aber für die überwiegende Zahl der Bevölkerung wird durch die breite Berichterstattung zum Thema Rechtsextremismus auch ein großer Bewusstseinsgrad geschaffen. Es ist also durchaus ein erzieherischer Wert da. Die vorgetäuschten Taten sind mehr oder weniger ein Nebeneffekt, den man in Kauf nehmen muss. Das andere ist wichtiger. INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE