Kultureller Dialog trotzt der Technik

Neue Dynamik kennzeichnet die internationale Medienethik-Debatte. Nur der Bundespräsident blieb unverstanden

BERLIN taz ■ Das Bild des Islam in den Medien ist immer noch furchteinflößend, gefährlich: Seit die Türken im Mittelalter Europa bedrohten hat sich daran nichts geändert. Selbst im liberalen Guardian werde in 80 Prozent aller Fälle der Islam direkt mit dem Begriff „Terrorismus“ in Verbindung gebracht, sagt Ziauddin Sardar, Professor für postkoloniale Studien an der Londoner City University: „Die negativen Stereotypen werden so auch heute weiter fortgeschrieben.“

Und auch wenn Medienvertreter und Wissenschaftler aus islamischen und westlichen Ländern zusammentreffen – wie in der vergangenen Woche zur internationalen Konferenz über journalistische Ethik unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten in Berlin – ist die Verständigung nicht immer einfach. Übergreifendes Thema der Konferenz war die gesellschaftliche Verantwortung der Medien in den Kulturkreisen des Islams und der westlichen Welt. „Gerade den Medien fällt hier eine existenzielle Rolle zu. Auch bei uns wird die Integration von Muslimen in eine nicht muslimische Gesellschaft immer schwieriger. Medien können hier ein besseres Verständnis schaffen“, so Udo Steinbach vom Hamburger Orient-Institut, gemeinsam mit der Zeit-Stiftung Organisator der Veranstaltung.

In vielen Teilen der arabischen Welt kommt vor allem durch neue technische Möglichkeiten Bewegung in diesen Dialog. „Wenn heute eine Zeitung in Algerien verboten wird, können die Journalisten im Internet weiterschreiben. Das gab es früher nicht“, sagt Rabah Abdellah, Generalsekretär der algerischen Journalistengewerkschaft. Selbst der internationale arabische Nachrichtensender Al Jazeera, der sich am weltweit operierenden Newskanal CNN orientiert und per Satellit von Qatar aus ausgestrahlt wird, ist letztlich ein Beispiel für die neue Dynamik in der arabischsprachigen Medienwelt – auch wenn das Programm von Al Jazeera in Teilen weiterhin zensiert wird.

„Die Satellitenschüsseln stellen wir im Land selbst her, deshalb sind sie billig und jeder kann internationale Sender empfangen. Gerade Al Jazeera wird bei uns intensiv genutzt“, sagt Fatima Boutarkha von der Marokkanischen Journalisten-Gewerkschaft. Unter König Mohammed V. habe sich gerade in Marokko eine neue soziale Dynamik entwickelt. „Dies müssen wir für die Journalisten nutzen, die bei uns oft ohne Verträge und unterbezahlt arbeiten und so anfällig für Korruption sind.“

Doch gerade die sich stetig weiterentwickelnde Medientechnik gebiete einen von ethischen Kriterien bestimmten Umgang mit den neuen Möglichkeiten: „Wenn jeder nur daran denkt, sich zu verkaufen, wird sich in unseren Ländern nie etwas ändern“, so Boutarkha.

Die Konferenz war Teil des internationalen Netzwerkes „Dialog Islam-Westen“, einer hochkarätigen Initiative von immerhin dreizehn Staatsoberhäuptern, die eine enge Zusammenarbeit der beiden Kulturkreise in den Bereichen Bildung, Wissenschaft, Medien, Wirtschaft und Umweltschutz anstrebt.

Dass dabei auch westliche Staatsoberhäupter manchmal Probleme damit haben, neueste Technik für den kulturellen Dialog sinnvoll zu nutzen, zeigte sich allerdings schon bei der Eröffnungsansprache von Johannes Rau: Die politische Etikette verbot dem Bundespräsidenten, die Ansprache im Schloss Bellevue auf Englisch zu halten – der einzigen Sprache, in der ihm die Mehrheit der 55 internationalen Konferenzteilnehmer hätte folgen können.

Und weil zum Zeitpunkt von Raus Rede auch die Simultanübersetzung noch nicht einsatzbereit war, blieben die weisen Worte zum besseren Verständnis der Kulturen für die meisten Anwesenden – unverständlich.

SONJA KRETZSCHMAR