Kleine Zelle für Großserben

Slobodan Milošević, Expräsident Jugoslawiens, sitzt in U-Haft. In Belgrad soll ihm der Prozess gemacht werden. Die halbe Welt fordert die Auslieferung an das UN-Tribunal in Den Haag

BELGRAD/BERLIN rtr/taz ■ Endlich sitzt Slobodan Milošević hinter Gittern. Der von dem UNO-Tribunal in Den Haag wegen Kriegsverbrechen im Kosovokrieg 1999 angeklagte ehemalige jugoslawische Präsident soll sich vor einem serbischen Gericht für Amtsmissbrauch und Wirtschaftskriminalität verantworten. Zunächst. Denn möglicherweise ist sein Aufenthalt in dem Belgrader Zentralgefängnis nur ein Zwischenstopp auf dem Weg nach Den Haag.

Milošević wurde nach seiner Festnahme am frühen Morgen gestern einem Richter vorgeführt, der eine Untersuchungshaft von zunächst dreißig Tagen anordnete. Das teilte sein Anwalt Toma Fila mit.

Milošević werde wie jeder andere Gefangene auch behandelt, sagte der serbische Justizminister Vladan Batić. „Er hat sein eigenes Zimmer, bekommt Essen, darf Besuch empfangen, darf seine eigene Kleidung und eigene Schuhe tragen und Geld, Bücher, Zeitungen haben. Er wird weder körperlichen Schikanen noch psychologischem Druck ausgesetzt.“

Die reformorientierte Regierung in Belgrad will Milošević erst einmal im eigenen Land den Prozess machen. Bislang hatte sie seine Auslieferung an Den Haag abgelehnt.

Die Nachricht von der Verhaftung Milošević’ wurde gestern im Ausland begrüßt. Zugleich wurde jedoch seine Auslieferung an das Tribunal verlangt. Die Chefanklägerin des Tribunals, Carla del Ponte, sprach von einem „positiven Zeichen“. Milošević solle noch im Laufe dieses Jahres ausgeliefert werden.

Ähnlich äußerte sich US-Präsident George W. Bush. In einer Stellungnahme betonte er, dass Milošević nicht nur wegen seiner Verbrechen gegen das serbische Volk, sondern auch wegen der Verletzung des internationalen Rechts zur Verantwortung gezogen werden solle. Der US-Kongress hatte der Regierung in Belgrad eine Frist bis zum vergangenen Samstag gesetzt, mit dem Tribunal in Den Haag zu kooperieren, um Finanzhilfen in Höhe von 100 Millionen Dollar zu erhalten.

Der jugoslawische Innenminister Zoran Zivković machte am Samstag aus diesem Zusammenhang keinen Hehl. Es wäre „lächerlich“, anzunehmen, Belgrad lasse Milošević aus freien Stücken und unabhängig vom US-Ultimatum verhaften, sagte er.

In Berlin nannte Bundesaußenminister Joschka Fischer die Festnahme Milošević’ einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung von Frieden und Stabilität in der gesamten Region. Auch Großbritannien, Frankreich, EU und Nato begrüßten die Verhaftung. Ein Nato-Sprecher sagte in Brüssel, die Allianz erwarte, dass sich Milošević letztlich vor dem UN-Tribunal wegen Kriegsverbrechen verantworten müsse. Der schwedische Ministerpräsident und amtierende EU-Ratspräsident Goran Persson sagte, die EU halte an ihrer Forderung nach einer Auslieferung Milošević’ fest, werde aber keinen unnötigen Druck ausüben. Der außenpolitische Koordinator der EU, Javier Solana, bezeichnete die Festnahme als einen weiteren Schritt zur Festigung demokratischer Verhältnisse in Jugoslawien. B. S.