Mord am UKE-Therapie-Zentrum?

Zentrum für Suizidgefährdete und Klinikleitung streiten sich um Stellen  ■ Von Sandra Wilsdorf

Ist es Mord? Selbstmord ist es jedenfalls nicht, denn das „Therapie-Zentrum für Suizidgefährdete“ (TZS) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) wehrt sich mit aller Kraft dagegen, in seiner Arbeit so lange behindert zu werden, bis sie nicht mehr funktioniert. Seit Monaten schwelt ein Streit zwischen dem Therapie-Zentrum und der Klinikleitung. Das TZS, das Suizidgefährdete ambulant und mit Hilfe von Psychotherapien betreut, ist in den Augen der UKE-Leitung zu teuer. In einer Anfrage der Regenbogen-Abgeordneten Julia Koppke bestätigt der Senat jetzt, dass zwei Mitarbeiter „bislang mit der Hälfte ihrer Arbeitszeit vom TZS abgezogen“ wurden. Er bestätigt auch, dass man am TZS meint, dass „seine Arbeitsfähigkeit durch den Stellenabbau massiv bedroht würde“.

Sagen darf das allerdings keiner der Mitarbeiter. Denn nach einer „Verfahrensanweisung“ der Klinikleitung vom 6. November vergangenen Jahres ist es allen UKE-Mitarbeitern verboten, sich zu Dingen zu äußern, die das Krankenhaus betreffen. Das obliegt allein dem Direktorium. Auch das geht aus der Anfrage hervor. Stattdessen äußert sich der „Freundes- und Förderkreis des Therapiezentrums für Suizidgefährdete“: Der nennt es eine „Täuschung der Öffentlichkeit“, wenn das UKE die Umbesetzung per Pressemitteilung als eine „positive Entscheidung“ zum Erhalt des TZS bezeichnet.

Eine private Spende in Höhe von über zwei Millionen Mark hatte das Zentrum 1991 ermöglicht. Seitdem hat es sich zu einer international arbeitenden Einrichtung entwickelt, dessen Bedeutung der Senat in einer früheren Anfrage als „hoch“ eingeschätzt hat: „Es ist bundesweit die einzige Einrichtung, die ausschließlich für suizidgefährdete Menschen ein speziell entwickeltes psychotherapeutisches Angebot im Umfang von drei bis sechs Monaten ohne Wartezeit vorhält.“ Der Leiter des Zentrums, Professor Paul Götze, erhielt Anfang des Jahres den Hans-Rost-Preis der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention, die Wissenschaftlerin Dr. Benigna Gerisch vor wenigen Wochen den Nachwuchspreis der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung.

Hamburg hatte 1998 die höchste und 1999 die dritthöchste Suizidrate aller Bundesländer. 1997 nahmen sich 333 Hamburger das Leben, 220 Männer und 113 Frauen. Es gibt in Hamburg zahlreiche Einrichtungen, die in akuten Notsituationen helfen, meistens stationär. Das TZS jedoch macht in vielen Fällen Krankenhausaufenthalte überflüssig. Dafür aber sind viele und lange Gespräche nötig. Zu viele, wie die Klinikleitung findet. Denn die Kassen zahlen quartalsweise Pauschalen, egal wie viele Gespräche geführt werden.

Professor Dieter Naber, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, erklärt die Problemlage so: „Das TZS hat ein Defizit von 450.000 Mark. Das wird bisher vom Rest der Klinik ausgeglichen.“ Nun aber, da die finanzielle Situation auch für die anderen psychiatrischen Ambulanzen immer schwieriger werde, sinkt die Bereitschaft dazu. Die Belegung läge bei 100 Prozent, alle arbeiteten bis zum Äußersten: „Wir haben ein Gutachten eingeholt, das hat bestätigt, dass es zumutbar ist, vom TZS zwei Stellen abzuziehen.“

Die Therapeuten dürften außerdem die begonnenen Therapien noch zu Ende führen. Um die wirtschaftliche Situation zu entspannen, „könnte man prüfen, inwieweit Gruppen- statt Einzeltherapien durchzuführen wären“, sagt Naber. Das TZS hingegen sieht das Problem, noch mehr Patienten als bisher abweisen oder umverteilen zu müssen und fürchtet Wartezeiten für Patienten, die eigentlich nicht warten können.

Möglicherweise gibt es aber einen Weg, der der TZS zumindest für ein Jahr ermöglichen würde, auf der als Mindestausstattung bezeichneten Basis von vier Stellen weiterzuarbeiten. „Die Finanzierungslücke wird dabei aus Mitteln des Zentrums für Psychosoziale Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie, aus einem einmaligen Betrag des Direktoriums sowie mit Hilfe einer in Aussicht gestellten Großspende geschlossen“, kündigt der Senat in seiner Antwort an.

Langfristig müsse das TZS aber zusätzliche Einnahmen erschließen. „Wenn die nunmehr zügig betriebene Umsetzung dieses Lösungsansatzes gelingt, kann die begonnene Stellenverlagerung in nächster Zeit rückgängig gemacht werden“, stellt der Senat in Aussicht.