Atommüll und kein Ende
: Nach den Aktien die Sintflut

betr.: „Bewegung statt Behörde“ (Die Castorin rollt), Kommentar von Ulrike Herrmann, taz vom 28. 3. 01

Du verwechselst Quantität mit Qualität. Abgesehen davon, dass ich es angesichts des Widerstands im Wendland einfach für eine Umverschämtheit halte, von „viel Inszenierung und kaum demonstrierende Protagonisten“ zu sprechen. Ich war gestern in Wendisch-Evern und habe mit anderen Aktivisten von X1000mal quer zusammen die Gleise besetzt. Über 1.000 Leute waren dabei! Viele hatten trotz Minusgraden im Freien auf Stroh übernachten müssen. Die gesamte Gruppe ließ sich von den Gleisen tragen und mit unbekanntem Ort abtransportieren. Und du schreibst: „Stell dir vor, es gibt eine gut inszenierte Blockade – und keiner geht hin.“ [...] PETER KOTTMEIER, Pastor, Hamburg

[...] Tatsächlich mögen etwas weniger Leute im Wendland aktiv sein als vor vier Jahren, allemal ist es aber nach wie vor eine sehr ansehnliche Menge von Menschen, die sich gegen diesen Transport querstellen. Wo es Großdemonstrationen gibt, wie am Samstag in Lüneburg, versammelt sich auch nach wie vor eine klar fünfstellige Zahl von Demonstranten. Doch ansonsten verteilen sich die Widerständler in verhältnismäßig kleinen Gruppen entlang der Transportstrecke, sodass einzelne Blockaden gewöhnlich nicht mehr als 1.000 Teilnehmer umfassen. Dies liegt daran, dass etliche Camps behördlich verboten und polizeilich geräumt wurden, sodass große Kristallisationspunkte nicht zustande kommen. [...] MARK OBREMBALSKI, Oldenburg

Mit großer Empörung las ich in Ihrem Kommentar von brachliegendem Widerstand in der BI Lüchow-Dannenberg sowie generellem Desinteresse und einer „inszenierten“ Blockade. Kurz zuvor sah ich den Sender Phoenix vor Ort. Ich sah tausende frierende Bürger, sah mutige tatkräftige Aktivisten und bewunderte die nervenkostenden, urlaubstagekostenden und kraftzehrenden vielfältigen Protestaktionen der dortigen bäuerlichen Gemeinschaften, der dortigen Bevölkerung und der angereisten Demonstranten. [...] M. JAISER, BERLIN

Bis auf einen Punkt kann ich dieser Analyse nur zustimmen: „Ohne politischen Druck auf der Straße sind die Grünen ein feuchter Furz, Stimmenbeschaffer für die SPD, Ersatz-FDP.“

Ein feuchter Furz hinterlässt immerhin eine Spur; über einen trockenen kommen die Grünen derzeit nicht hinaus. Spätestens als Lafontaine zurückgetreten ist, hätten die Grünen ihre Position neu definieren müssen. Jetzt wird diese Partei genüsslich zwischen den Daumen der Westerwelles, Merkels & Co. zerrieben werden. ULF EVERS, Wattenbek

Die Berichterstattung der taz zeigt ein realistisches Bild der Lage im Wendland. Die energischen Proteste vor vier Jahren haben sicher dazu beigetragen, dass Bundeskanzler Schröder überhaupt einen Atomkonsens angestrebt hat. Die Vorwürfe vieler Protestler an die Grünen, eingeknickt zu sein, sind jedoch kaum berechtigt. Entscheidend war, dass während der Verhandlungen die Antiatombewegung kaum öffentlich in Erscheinung getreten ist. Die meisten glaubten, die Grünen könnten das für sie richten. Doch das war bei dem mageren Wahlergebnis kaum möglich.

Der einzig wirkliche Vorwurf gegen Bündnis 90/Die Grünen besteht darin, dass die Partei nicht die Antiatombewegung zu einer Großdemonstration während der „Konsensverhandlungen“ aufgerufen hat. Aber dieser Vorwurf richtet sich genauso gegen die Aktivisten der Bewegung. Um Menschen in Bewegung zu setzen, braucht es eben für jeden sichtbare Objekte wie einst Wyhl, Brokdorf, Kalkar, Wackersdorf, die ich alle miterlebt habe, oder eben die Castoren. [...] WILHELM KNABE, Gründungsmitglied

der Grünen und Ex-MdB

betr.: „Auch Stunden sind schon ein Sieg“ u. a., taz vom 29. 3. 01

Der Noch-Bundesumweltminister Trittin weist immer wieder gerne darauf hin, dass es aus vertraglichen und moralischen Gründen nicht möglich sei, die Rücknahme des zur Zeit im Ausland befindlichen Atommülls zu verweigern. Aber leider erwähnt er dabei nicht, dass der so genannte Atomkonsens vorsieht, weiterhin (noch über viele Jahre hinweg) deutschen Atommüll ins Ausland zu liefern – der dann logischerweise auch wieder zurückgenommen werden muss. GERHARD RIPPER, Reinheim

Was spricht eigentlich gegen ein Zwischenlager im Frankfurter Bahnhofsviertel? Da wird sicherlich niemand protestieren! Die Banken wollen Atomtechnologie, die Nutten interessiert es nicht, die Bahn hat andere Sorgen, und die Freier wollen nicht gesehen werden.

Das ist kein Zynismus, sondern der Vorschlag, das zueinander zu bringen, was untrennbar zusammengehört: den Profit und das damit verbundene Risiko. Das einzige, was wirklich dagegen spricht, ist, dass sich der Rheingraben zu einem Meer entwickelt. (Frankreich und Deutschland driften schneller auseinander als Plutonium ungefährlich wird). Das zeigen auch ganz gut die Zeiträume, in denen wir bei dieser Technologie rechnen müssten. [...]

Hinzu kommt, dass alles, was mit dieser Technologie zusammenhängt, hoffnungslos unterversichert ist. Neben einer Versicherungssumme, die kaum zur Absicherung der Unfallstelle ausreichen dürfte, haften der Steuerzahler und die Betreiber (zum Beispiel RWE) mit ihrem „Betriebsvermögen“ (also zum Beispiel mit Biblis A), also durchaus vergänglichen Werten. Aber durch einen Super-GAU von Biblis B kann das ganze Rhein-Main-Gebiet auf Dauer unbewohnbar werden.

Ich denke, Atomkraft kann man überhaupt nur befürworten, wenn man in Zeiträumen von maximal 100 Jahren denkt, alles andere ist offensichtlich verantwortungslos. Nach den Aktien die Sintflut. AUREL JAHN, Darmstadt

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