Wahltriumph – oder Hexerei

Das westafrikanische Benin, von Europa als Musterdemokratie gehätschelt, gerät in Schwierigkeiten: Präsident Kérékous letzte Wiederwahl war merkwürdig. Doch Kritik aus Europa ärgert die Regierung

aus Cotonou HAKEEM JIMO

Der französische Europaabgeordnete Hervé Novelli hatte der EU-Vetretung in Cotonou einen Bärendienst erwiesen. Am vergangenen Mittwoch kam es zu Demonstrationen vor der EU-Mission in Benins Hauptstadt, organisiert von der Regierung. Steine flogen zwar nicht, aber Novelli hatte nur wenige Tage nach der Präsidentschaftswahl in der Republik Benin den Zorn vieler Anhänger des Staatschefs und Wahlgewinners Mathieu Kérékou auf sich gezogen.

Novelli forderte den Stopp der europäischen Entwicklungshilfe für Benin, weil es bei den am 22. März abgeschlossenen Präsidentschaftswahlen zu Wahlbetrug und Ungereimtheiten in der Wahlbehörde gekommen sei. Benin, das Anfang der 90er-Jahre als erstes Land Westafrikas den friedlichen Übergang von der Militärdiktatur zur Mehrparteiendemokratie schaffte, ist ein Schwerpunktland internationaler und auch deutscher Hilfen.

Der Grund für Novellis Kritik war, dass Benins dritte freie Wahl seit 1991 sehr merkwürdig geendet hatte. Präsident Kérékou, der 1991 als Diktator in freien Wahlen die Macht an den Zivilisten Nicéphore Soglo abgeben musste und 1996 bei den nächsten Wahlen Soglo wieder besiegt hatte, gewann beim zweiten Wahlgang der diesjährigen Präsidentschaftswahl am vorletzten Donnerstag mit 84 Prozent der Stimmen. Allerdings hatte er gar keinen richtigen Gegenkandidaten, obwohl eine Stichwahl eigentlich die beiden Politiker mit den meisten Stimmen im ersten Wahlgang gegeneinander stellen sollte – in Benin also die beiden politischen Urgesteine des Landes, Präsident Kérékou und den 1996 abgewählten Soglo.

Im ersten Wahlgang am 4. März hatte der 67-jährige Kérékou mit 45,4 Prozent nur knapp die absolute Mehrheit verfehlt. Aber der mit 27,1 Prozent zweitplazierte Soglo wollte den ersten Wahlgang wegen Ungereimtheiten wiederholt sehen. Darauf ließen sich Wahlbehörde und Verfassungsgericht nicht ein. Der Streit war schwer zu entscheiden: Offizielle internationale Wahlbeobachter gab es nicht, weil Benin als mustergültige Demokratie gilt. Westliche Diplomaten sagten, bei der Wahl sei alles im erträglichen Rahmen abgelaufen.

So zog Soglo nur zwei Tage vor der auf den 18. März angesetzten Stichwahl seine Kandidatur zurück. Die Stichwahl wurde daraufhin verschoben. Als nach Soglos Rückzug auch der drittplazierte Kandidat, Adrien Houngbedji, Präsident der Nationalversammlung, auf ein Antreten in der Stichwahl verzichtete, blieb noch Bruno Amoussou, Sozialist und amtierender Minister Kérekous. Der hatte eigentlich nach seinen mäßigen 8,6 Prozent in der ersten Runde zur Unterstützung für Kérékou aufgerufen. Die Stichwahl zwischen Kérékou und Amoussou überzeugte denn auch keinen und Kérékous Sieg auch nicht.

Nun ist das politische Klima in Benin vergiftet. Die Opposition verglich die Wahl mit einer „Maskerade“. Bei Kérékou war öffentlich keine Freude festzustellen. Er wird morgen als Präsident wiedervereidigt. Er sieht so grimmig aus, als sei im Land mit offizieller Voodoo-Religion ein Fetisch hinter ihm her.

Und die Bevölkerung ist gespalten. Nach über 80 Prozent Wahlbeteilung beim ersten Wahlgang kamen zum zweiten nur 53 Prozent der Wähler. Soglos Anhänger blieben zu Hause. George Talon, ein Techniker in Cotonou, beklagt die neue Unkultur während der Wahlkampfzeit: „Zum ersten Mal kamen Parteibüttel in die Dörfer und verteilten Geschenke und Geld, wenn die Menschen ihren Kandidaten wählen würden. So wie Politik vorher funktionierte, war es gut – jetzt ist es Müll.“ Aber Rassed Sebio, ein Kleindevisenhändler, der sich als Kérékou-Wähler vorstellt, hält dagegen: „Keine Probleme. Alles wunderbar. Soglo und die anderen können einfach nicht verlieren. Soglo und seine Frau hätten das Land sowieso nur ruiniert.“

Auf Regierungs- und Gewinnerseite ist nichts von erhabener Souveränität zu spüren. Die Demonstranten vor der EU-Mission wurden von Kérékou geschickt. Auch einen anderen Nachfahren der ehemaligen französischen Kolonialherren behandelten staatliche Stellen unfreundlich: Die Journalistin Christine Muratet vom französischen Auslandsrundfunk RFI wurde wegen ihrer Berichterstattung für einen Tag festgenommen und vom Polizeipräsidenten persönlich verhört.

Schon vor der Wahl sprachen die Beniner von einer Verkrustung der politischen Klasse, in der sich seit zehn Jahren Kérékou und Soglo gegenüberstehen. Eine vierte Auflage ihre Duells nach der verunglückten dritten wird es aber nicht geben, denn die Zeit löst in Afrika mal wieder ein Problem: Kérékou und Soglo werden bei den nächsten Wahlen 2006 beide über 70 Jahre alt sein und dürfen dann laut Verfassung nicht mehr antreten.