briten wählen später
: Der eisenharte Wackeltony

Tony Blair ist nicht krisenfest. Allem Gerede vom männlichen Gegenstück zur Eisernen Lady zum Trotz wird der stahlharte britische Premier zum Wackelpudding, sobald in Großbritannien etwas Ernstes passiert. Erst überreagiert er völlig, dann bringt er mit dieser Überreaktion die eigene politische Planung durcheinander und traut sich schließlich nicht, das offen zuzugeben.

Kommentarvon DOMINIC JOHNSON

Natürlich ist es richtig, die Wahlen in Großbritannien zu verschieben. Streng genommen werden sie ja gar nicht verschoben, denn die laufende Legislaturperiode dauert bis Frühjahr 2002. Eine Wahl in diesem Jahr, ob im Mai, im Juni oder an Nikolaus, wäre eine vorgezogene Wahl, für die es nur einen Grund geben kann – nämlich einen Wahlkampf um den „Euro“ zu vermeiden. Dieses Thema wäre nämlich im Jahr 2002, so kurz nach der Einführung der europäischen Währung auf dem Festland, unvermeidlich und würde nur den Konservativen nützen.

Jetzt wiederum, da die Regierung das halbe Land faktisch unter Ausgangssperre stellt und ganze Wirtschaftszweige ruiniert, nur um eine für Menschen ungefährliche und für Tiere nicht unbedingt tödliche Viehkrankheit zu bekämpfen, kann sie schlecht gleichzeitig Wahlkampf machen, vor allem keinen guten. In den sechs Wochen seit Ausbruch der Maul- und Klauenseuche hat die Regierung Blair ausgesehen wie ein Haufen Anfänger. Mit jeder Maßnahme zuckelte sie einem Vorschlag der konservativen Opposition hinterher. Den letzten Umfragen zufolge liegt Labour auf dem Land bei unter 30 Prozent, die Konservativen bei über 50.

Wichtiger ist jedoch, dass bei einem Wahltermin am 3. Mai das Parlament in dieser Woche aufgelöst werden müsste. Die bevorstehende kritische Phase des Kampfes gegen die Maul- und Klauenseuche ginge so ohne die Möglichkeit zur parlamentarischen Kontrolle und Debatte vonstatten. Jetzt sitzt das House of Commons noch ein paar Wochen länger, und da die Regierung in Erwartung des 3. Mai all ihre parlamentarischen Vorhaben bereits abgeschlossen hat, können sich die Abgeordneten nun ausschließlich Labours amateurhaftem Kampf gegen die Seuche widmen.

Für Blair ist das eine Qual. Aber für die britische Westminster-Demokratie ist es ein Sieg. Und da der Kampf gegen MKS auch in vier Wochen noch nicht vorbei sein wird, wäre jetzt der Zeitpunkt, um die Labour-Regierung daran zu erinnern, dass eine Legislaturperiode in Großbritannien fünf Jahre dauert.