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: Nachhaltiger Wahlkampf

Man kann George Bush dankbar sein: Pressekonferenzen, früher kaum besucht, sind plötzlich überfüllt. Klimaschutz ist wieder ein Thema, seitdem sich der US-Präsident ganz undiplomatisch nicht mehr dafür interessiert. Doch auch der Kanzler hat den Klimaschutz erfolgreich zu einem Medienthema gemacht. Mit seinem entschiedenen Auftritt in Washington hat Schröder bewiesen, dass er die Agenda in Berlin bestimmen kann. Selbst bei einem eigentlich sperrigen Ökothema.

Kommentarvon MATTHIAS URBACH

Nun kann man sich mit dem Klimaschutz gefahrlos profilieren, solange man gegen den ökologischen Schurkenstaat USA wettert. Wenn es jedoch um konkrete Maßnahmen zu Hause geht, ist auch der Kanzler nicht mehr so deutlich wie im Weißen Haus. Noch immer sind in Schröders Kabinett wichtige Klimaschutzmaßnahmen umstritten: Wirtschaftsminister Müller lässt nichts unversucht, um einen vernünftigen Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung zu torpedieren. Und der Kanzler höchstpersönlich will die Ökosteuer nach den Wahlen am liebsten stoppen.

Doch auch Schröder weiß, dass er die Umweltpolitik den Grünen nicht ganz überlassen darf. Schließlich erleben ökologische Themen dank BSE und MKS gerade eine Renaissance. Und mit dem Verbraucherministerium halten die Grünen ein profilierungsträchtiges Ministerium: Es muss nur gelingen, grüne Themen verstärkt an den Verbraucherängsten und -wünschen auszurichten.

Da muss die SPD gegenhalten. Es ist also nur konsequent, dass Schröder heute in Berlin persönlich den Nachhaltigkeitsrat einsetzt. Das quer aus der Gesellschaft zusammengesuchte Gremium möge, so wünscht der Kanzler, die Regierung beraten und vor allem deren Konzepte in die Gesellschaft tragen. Daher wurde der Rat entschieden auf Konsens mit der Opposition getrimmt. Entsprechend gehören dem Gremium neben sechs SPDlern vier CDUler an, aber kein einziger Grüner. Versuche, auch Stars wie Westernhagen, Boris Becker oder Gabi Bauer zu gewinnen, scheiterten allerdings. Mit ihnen hätte sich der Kanzler Arm in Arm medienwirksam profilieren können.

Es ist aber noch lange nicht ausgemacht, dass der Rat tatsächlich Schröders Ruhm mehrt. Die Mitglieder sind eigensinnig genug, um sich von solcher Instrumentalisierung zu befreien. Und nur wenn sich der Rat vom Kanzleramt lösen kann, wird er gebraucht. Alles andere wäre Zeitverschwendung.

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