Dekadenz und Ironie und mehr

■ Rasmus Hirthes und Victoria Schwartz' Der Untergang von Rungholt: Ein Film über den Untergang des Atlantis des Nordens, Hamburgs und der Werte

Rasmus Hirthe und Victoria Schwartz zog es wieder zum Wasser. Nach dem erfolgreichen Super8-Film Titanic – die einzig wahre Geschichte bringen sie nun eine Collage in die Kinos, deren Rahmenhandlung wieder von einem Schiff getragen wird, das zum Filmende auf dem Meeresboden liegt. Soweit die konstanten Parameter. In Der Untergang von Rungholt schippern die SchauspielerInnen Sylvia und Stephan mit dem Filmstudenten Rasmus für einen Wochenendtrip über das Wattenmeer. Sie halten dabei Kurs auf Rungholt – eine ehemalige Stadt mit anrüchigem Lebenswandel, die 1362 während einer großen Sturmflut im Meer versunken sein soll.

Auf dem Boot gibt es abends beim Wein zwischen dem Paar Sylvia und Stephan Streit, morgens wird verkatert weiter gegiftet, schließlich geschieht ein Unglück und Panik breitet sich aus. Oder vielmehr: wird ausgebreitet. Denn orientiert haben sich die FilmemacherInnen nach eigenem Bekunden in ironischer Weise an den „Dogmafilmen“ Big Brother und Blair Witch Project. Die ZuschauerInnen können sich darauf gefasst machen, brutalstmöglich gelangweilt zu werden. War bei der Titanic-Thematik des letzten Films noch der Zombie-Trash-Style eine nette Antithese zur Hochglanzromantik höher budgetierter Produktionen, wird hier nicht persifliert, sonden digital kopiert. Dieses zwar – davon kann wohl auf Grund der postulierten Ironie ausgegangen werden – in kritischer Weise, aber doch offensichtlich von dem Gedanken geleitet, aus den neuen Formaten Kapital schlagen zu können. Nichts dagegen einzuwenden – wenn die ZuschauerInnen nicht dafür leiden müssten.

Die Erzählung ist aber nicht so konzipiert, dass es einen Bruch oder eine subversive Verschiebung zu den Vorlagen gäbe. Andererseits ist das Dargestellte nicht „real“ genug, um zu einer gespannten Erwartungshaltung zu führen. Vielleicht war dieses „weder-noch“ aber auch als Verfremdungseffekt gedacht.

Zwischen der Boots-Doku werden einzelne Episoden über Dekadenz, göttliche Strafe und menschliche Sinnsuche präsentiert, die dankenswerte Pausen vom Hauptprogramm bilden. Dennoch kann auch Ulrich „the wicked“ Wickert als Ikone der aufrechten Mahner dem ganzen keinen wirksamen Auftrieb geben. Er moderiert einen Bericht über das Wiederauftauchen des ehemaligen Sündenpfuhls an. In weiteren Episoden erklärt unter anderem ein gläubiger Schmetterlingssammler die Moral, wird Hamburg in einer Modellbausimulation selbst von einer Sturmflut heimgesucht und verwöhnen sich Sado-Masochisten bei einem Open-Air-Happening. Fast sehenswert wird Der Untergang von Rungholt aber durch die Kurzdokumentation einer Demonstration gegen die Hamburger Kampfhundeverordnung.

Ansonsten empfielt es sich, einen Walkman mit ins Kino zu nehmen – oder eine/n GesprächspartnerIn, um darüber diskutieren zu können, ob die geschlechtliche Rollenverteilung der Bootsinsassen ein kritischer Spiegel der Fernsehverhältnisse oder einfach nur doof ist. Sebastian Schinkel

Premiere in Anwesenheit der FilmemacherInnen und HauptdarstellerInnen: So, 18 Uhr, Zeise; Mi - Fr, 18.30 Uhr, 10. + 11.4., 23 Uhr, 3001