Keine Kirche für Camper?

■ Bislang wurden Norddeutschlands Zelter im Sommer von mobilen Christen betreut und umsorgt. Jetzt steht die „Kirche unterwegs“ mangels Nachwuchs auf der Kippe

Tobende Kinder, Prediger in Boxershorts, andächtige Camper – ein Bild aus vergangenen Tagen? Die evangelische Kirche hat massive Probleme, Ehrenamtliche zu finden, um das Projekt „Kirche unterwegs“ fortzuführen.

Seit einigen Jahrzehnten halten Theologiestudenten ihre ersten Predigten in provisorischen Gotteshäusern – genauer gesagt Gotteszelten. Wenn die Heringe in den Boden gerammt sind, können die Menschenfischer loslegen. Vom Harz über das Weserbergland bis zur Nordsee – kein Urlaubsort mit Campingplatz, der nicht von den mobilen Christen bevölkert wurde. Flankiert wird deren Out-door-Arbeit von Schülern und Studenten, die Kinderprogramme und Ausflüge organisieren.

„Da kommen auch Leute zur Kirche, die man sonst nicht so häufig dort sieht“, sagt Anja Todenhaupt. Die ehrenamtliche Helferin in kirchlichen Diensten erinnert sich an die vielen Sommer, die sie seit 1986 mit der Kirche vor Ort auf den Campingplätzen verlebt hat: Für sie nicht nur ein Dienst für Gotteslohn, sondern eine Möglichkeit, kreativ mit Menschen zu arbeiten und den „Urlaub in schönen Ecken Deutschlands sinnvoll zu verbringen“.

Die Mitarbeiter von „Kirche unterwegs“ verbringen in der Regel zwei bis drei Wochen ihres eigenen Urlaubs auf den Campingplätzen; wenn sie Glück haben, stellt ein freundlich gesonnener Platzwart sogar einen Wohnwagen zur Verfügung. Und dann heißt es kreativ sein, schließlich sollen für die Urlauber drei Wochen Programm auf die Beine gestellt werden.

Insbesondere die Kinder erfreuen sich an der intensiven Betreuung durch die meist noch jungen Ehrenamtlichen. Wie Pastor Hitze-Grad, der schon seit Jahren die mobile Kirche in der Wingst betreut, zu erzählen weiß, stehen „Bastelrunden, Spielenachmittage und Gute-Nacht-Geschichten“ bei den kleinen Campern hoch im Kurs. Aber auch die Eltern werden animiert: Für sie werden ausgiebige Wanderungen, Radtouren und nicht zuletzt der allsonntägliche Gottesdienst organisiert, der zur Überraschung vieler neuer Urlauber eben nicht von „Profis“ abgehalten wird. Neben Theologiestudenten predigen auch Gemeindemitglieder, die sich in ihrem Glauben so gefestigt fühlen, dass sie sich größere Campergemeinden zutrauen.

Doch so, wie es momentan aussieht, gehören die Zeltplatzmissionare zur bedrohten Art. Die „Kirche unterwegs“ hat massive Nachwuchsprobleme. Laut Michael Riedel-Schneider, der als Geschäftsführer des Kirchlichen Dienstes das Projekt koordiniert, ist der Mangel an Ehrenamtlichen mittlerweile so groß, dass diverse „Standorte“ entlang der Nordseeküste gefährdet sind. Ganz neu ist dieses Problem jedoch nicht. Schon in den letzten Jahren begannen einige Kirchengemeinden mangels kirchlicher Nomaden, „ihre“ Camper selbst mit Unterhaltung und Gottesdienst zu umsorgen. Die Gründe für das Ausbleiben der Ehrenamtlichen liegen laut der langjährigen Aktivistin Anja Todenhaupt vor allem bei der Kirche selbst. Sie gebe „viel weniger Geld für die Motivation und die Anwerbung der Ehrenamtlichen aus“, bedauert sie.

Der Organisator der Freiwilligen, Michael Riedel-Schneider, deutet das nachlassende Interesse an Kirchenarbeit als allgemeinen Trend. Schüler und Studenten, die früher einen Großteil der Ehrenamtlichen ausgemacht hätten, würden ihre freie Zeit heute „lieber auf Mallorca verbringen“ als beispielsweise in Carolinensiel. PS